Union für härtere Gangart Koalitionsstreit über Abschiebungen hält an
Berlin (dpa) - Nach dem teils gewaltsamen Widerstand gegen eine Abschiebung in Ellwangen fordern Unionspolitiker eine härte Gangart gegen Flüchtlinge. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte nach den Vorgängen in der Flüchtlingsunterkunft, den Bürgern kein Versagen des Staats einzureden.
Es sei zwar nicht hinnehmbar, dass die Polizei durch Gewalt oder durch Androhung von Gewalt an der Durchführung ihrer Aufgaben gehindert worden sei, sagte Steinmeier am im ARD-„Bericht aus Berlin“. „Aber ich sehe nicht, dass wir vor einem Scheitern oder einem Versagen des Rechtsstaates stehen, und wir sollten das den Bürgern auch nicht täglich einreden.“
Im baden-württembergischen Ellwangen hatten 150 bis 200 Flüchtlinge teils gewaltsam verhindert, dass die Polizei einen Mann aus Togo aus einer Flüchtlingsunterkunft abholte. Der 23-Jährige wurde bei einem Großeinsatz doch gefasst, sitzt in Abschiebehaft und wehrt sich mit rechtlichen Schritten. Er soll nach Italien abgeschoben werden.
„Die Polizei hat, wie ich sagen würde, zunächst mal professionell und besonnen gehandelt“, sagte Steinmeier. „Und hat zwei Tage später, weniger als zwei Tage später, erst durchgesetzt, was vorher unmöglich war.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt übte in der „Bild am Sonntag“ harsche Kritik an Unterstützern von Flüchtlingen, die abgeschoben werden sollen: „Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst die Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird.“ Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der CSU durchschaubaren Populismus vor. „Da werden von Herrn Dobrindt dann mal eben grundsätzliche Elemente des Rechtsstaats in Frage gestellt.“
Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: „Erneut sucht Herr Dobrindt Schuldige, um vom eigenen Versagen der Bundesregierung abzulenken.“ Für das unterbesetzte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei seit Jahren die Union zuständig.
Der Fraktionsgeschäftsführer der Linken, Jan Korte, kritisierte: „Zu der üblichen CSU-Hetze via Sonntagszeitung kommt jetzt, dass Alexander Dobrindt ein Problem mit dem Rechtsstaat hat.“ Jeder habe Anspruch auf ein faires Verfahren. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte: „Mehr als 40 Prozent aller Klagen gegen die Ablehnung der Asylanträge und die Androhung der Abschiebung hatten im letzten Jahr vor Gericht Erfolg.“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) plädierte für Kürzungen oder den Entzug von Entwicklungshilfe für bei Abschiebungen nicht kooperierende Staaten. „Wir können nicht auf der einen Seite Entwicklungshilfe bezahlen und auf der anderen nehmen diese Länder diese Leute nicht zurück“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte, Zahlungen an Zusammenarbeit zu knüpfen. „Unkooperatives Verhalten darf nicht durch Entwicklungshilfe begünstigt werden“, sagte er der Zeitung.
Beide Politiker forderten zudem weniger Unterstützung für Asylbewerber. „Es darf nicht mehr so sein, dass die Menschen sich das Land mit den attraktivsten Leistungen aussuchen können und dann regelmäßig nur nach Deutschland kommen“, sagte Kretschmer. Alle EU-Staaten sollten von Geld auf Sachleistungen umstellen.
Die AfD-Fraktionschefin Alice Weidel warf Dobrindt, Kretschmer und Herrmann vor, selbst „mitschuldig“ am „herrschenden Asyl-Chaos“ zu sein. „Die Asyl-Lobby und die „Anti-Abschiebe-Industrie“, die Alexander Dobrindt plötzlich beklagt, hat die etablierte Politik selbst all die Jahre großgepäppelt und hofiert.“
Angesichts des bisher geringen Länder-Interesses an den geplanten Asyl- und Abschiebezentren forderte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer die SPD-Führung auf, von der SPD mitregierte Länder zur Einführung zu bewegen. „Für die SPD stellt sich hier eine Führungsfrage“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ (Montag). Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte die Länder auf, Vorbehalte gegen Ankerzentren aufzugeben.
Nach Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen bekundete am Samstag Sachsen Interesse an so einem Zentrum. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte in Leipzig, die Zentren schafften schneller und „rechtsstaatlich einwandfrei“ Klarheit über den Schutzstatus. Mehr als drei Viertel der Deutschen sind für diese Zentren, wie eine Umfrage des Instituts Civey für die „Welt“ ergab.
Vor dem Kabinettsbeschluss zum Familiennachzug kritisierten Kirchen und Verbände die Pläne als zu restriktiv. Der Gesetzentwurf schaffe keinen angemessenen Ausgleich zwischen Aufnahmefähigkeit und Interessen der Flüchtlinge, so eine Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche und des Kommissariats der deutschen Bischöfe.