Analyse Lindner muss die FDP an Dreikönig bei Laune halten

Der FDP-Parteichef will über den Bundesrat an Einfluss gewinnen. Derweil muss er vor dem Stuttgarter Treffen Kritik von Leutheusser-Schnarrenberger einstecken.

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner. Archivbild.

Foto: Michael Kappeler

Berlin. „Welche Warnung?“ fragte FDP-Chef Christian Lindner scheinbar erstaunt auf Twitter. „Ich lese es als Unterstützung unsers Kurses!“ Gemeint war ein Aufsatz der früheren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der „Süddeutschen Zeitung“. Der Text sorgt zwei Tage vor der traditionellen Dreikönigs-Kundgebung der Liberalen am Sonnabend in Stuttgart parteiintern für Unruhe.

Zwar lobt Leutheusser-Schnarrenberger, die als Urgestein der Partei gilt, dass der Wiedereinzug in den Bundestag gelungen ist. Doch sie kritisiert deutlich das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen, das Lindner herbeigeführt hatte. „Schade um Jamaika, wäre doch endlich einmal Bewegung in die erstarrten politischen Strukturen gekommen.“ Die Ex-Ministerin sieht es mit Sorge, dass die FDP nun zusammen mit der AfD in der Opposition sitzt und fordert „klare Kante“ gegen die Rechten. Auch die ersten politischen Aktivitäten der Fraktion unter Lindners Führung, darunter Gesetzentwürfe zur Aufhebung der anlasslosen Datenspeicherung und zur Korrektur des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, fallen bei der 66-jährige Bayerin durch: „Gestalten lassen sich diese Vorhaben nur in einer Koalition.“ Der Altliberale Gerhart Baum hatte sich kurz vor Weihnachten ähnlich geäußert: „Sich einer Wahl zu stellen, heißt vor allem, zur Übernahme von Verantwortung bereit zu sein und auch unangenehme Kompromisse zu schließen“, schrieb Baum Lindner ins Stammbuch. „Ich hätte das gewagt.“

Der am Sonntag 39 Jahre alt werdende Vorsitzende wird in Stuttgart versuchen, den liberalen Blick wieder nach vorn zu richten. Vor allem auf Bayern und Hessen. In beiden Ländern stehen Landtagswahlen an, und in beiden, so der Parteichef schon vorab, sei es das Ziel der FDP mitzuregieren. Man wolle über den Bundesrat das eigene Gewicht erhöhen, um so die Ausgangsposition für eine Reformkoalition im Bund zu schaffen, „die das Land wirklich erneuert, frische Luft reinlässt“. Leutheusser-Schnarrenberger ließ aus dieser Idee freilich erst einmal Luft raus: Im Bundesrat gebe es derzeit elf unterschiedliche Regierungsformen und viele undurchsichtige Deals, schrieb sie. Da werde es schwierig werden, die liberale Handschrift sichtbar zu machen.

Es ist der abrupte Wechsel zwischen Mitregieren wollen und dann doch wieder nicht, die Lindners Position in der Öffentlichkeit so schwer vermittelbar macht. Der Vorsitzende gab im Dezember sehr viele rechtfertigende Interviews, die immer die gleiche Botschaft enthielten: „Die FDP hat bewiesen, dass sie eigenständig ist und ihr Überzeugungen wichtiger sind als Posten.“ Einstimmig ließ er sich diesen Kurs im Vorstand bestätigen. Doch die Umfragewerte sackten ab und aus der Wirtschaft gab es Kritik.

Was das Scheitern von Jamaika angeht, scheint Lindner außer beim sozialliberalen Flügel parteiintern noch großen Rückhalt zu haben. Besonders im baden-württembergischen Landesverband, der Gastgeber des traditionellen Dreikönigstreffens ist. „Die FDP ist sich treu geblieben“, sagt Landeschef Michael Theurer. Für die Zukunft aber wollen auch im konservativen Südwesten viele Liberale ein solches Bündnis nicht ausschließen. „Es wäre die Chance, die bisherigen Lagergrenzen aufzubrechen“, so ein prominentes Mitglied. Man dürfe in Sachen Jamaika jedenfalls „niemals nie sagen“. Lindner müsse die Oppositionszeit nutzen, um gezielt das Vertrauensverhältnis zu verbessern. Zur Union, aber auch zu den Grünen.

Der Parteichef hat diese Stimmung offenbar registriert. Die Absage an ein Bündnis mit Union und Grünen gelte nur „für diese Legislaturperiode“, ließ er bereits verlauten. Die könnte im Fall vorgezogener Neuwahlen freilich schon im Sommer zu Ende sein - und die Debatte dann sofort mit Wucht wiederkommen.