Merkel und Länder wollen Turbo-Atomausstieg
Berlin (dpa) - Bund und Länder wollen in Rekordzeit bis Mitte Juni das Gesetz für einen schnellen Atomausstieg besiegeln. Bis zum 17. Juni sollen Bundestag und Bundesrat entscheiden, wie viele der 17 Atomkraftwerke endgültig vom Netz müssen und wie lange die übrigen Meiler noch laufen dürfen.
Dazu kommt ein Gesetzespaket zum Ausbau der Öko-Energien. „Wir alle wollen schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten.
Die Opposition warf Merkel vor, sich um klare Aussagen zu den Kosten der Energiewende zu drücken. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bezeichnete die Ergebnisse des Treffens als „extrem enttäuschend“. Die Bürger müssten bald Klarheit haben: „Hier muss Butter bei die Fische“, sagte Beck der Zeitung „Die Rheinpfalz“.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte, Schwarz-Gelb male bei den Strompreisen Schreckensbilder an die Wand und zeige keine Lösungen auf. Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, meinte: „Die Regierung will die Energiewende auf dem Rücken der Geringverdiener abladen und Stromkonzerne schonen.“ Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte die Extra-Kosten für die Energiewende auf bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr beziffert.
Merkel kündigte nach dem Treffen im Kanzleramt an, die Stromkonzerne würden bis Mitte Juni Rechtssicherheit zur Zukunft ihrer Atomkraftwerke bekommen. Auch die Lagerstätten für Atommüll würden einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Gesetze werde es auch für den Netzausbau und die Beschleunigung des Planungsrechts geben. Die Energiewende sei ein „unglaublich spannendes Projekt“, sagte die CDU-Chefin.
Die SPD-Länder wollen konstruktiv mitarbeiten, pochen aber auf konkrete Zusagen für einen möglichst frühen Ausstieg - am besten noch vor dem damaligen rot-grünen Enddatum 2022. „Das darf zeitlich nicht zu sehr gestreckt werden“, sagte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD). Die sieben nach Japan abgeschalteten älteren Meiler und das AKW Krümmel dürften nicht wieder ans Netz gehen.
Am 3. Juni wird es ein weiteres Treffen Merkels mit den 16 Regierungschefs geben. Geplant ist, dass sich das Kabinett am 6. Juni mit dem neuen Atomgesetz befasst. Schwarz-Gelb wird dann die erst im Herbst beschlossene Verlängerung der Atom-Laufzeiten um bis zu 14 Jahre zurückdrehen. Anschließend sollen die Regelungen in Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen werden. Der Bundesrat soll am 17. Juni endgültig entscheiden.
Die Industrie warnte, dass der Standort Deutschland durch den Atom-Ausstieg zu teuer werden könnte. „Unsere Branchen sind auf eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung angewiesen“, teilte der Verband jener Industriebranchen mit, die besonders viel Strom verbrauchen.
Umweltschützer trauen Schwarz-Gelb bei der Energiewende nicht über den Weg. „Bedenkenträger und Verzögerer beim Ausbau erneuerbarer Energien wie Bundeswirtschaftsminister Brüderle haben noch immer das Sagen“, erklärte BUND-Chef Hubert Weiger. Die Anti-Atom-Bewegung „ausgestrahlt“ rief zu neuen Demonstrationen am Ostermontag an zwölf Atom-Standorten auf. „Wir wollen der Kanzlerin deutlich machen: Jetzt hilft kein Lavieren mehr, sondern nur noch die Stilllegung der Atomkraftwerke.“
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) kündigte an, die Regierung werde wie geplant ein Fünf-Milliarden-Förderprogramm für Windkraft auflegen. Röttgen will bis Anfang Juni auch Eckpunkte für eine erneute Kürzung der EEG-Umlage vorlegen, die Anbietern von Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse hohe Vergütungen garantiert. So sollen die Verbraucher entlastet und die Ökostromproduzenten zu mehr Effizienz gezwungen werden. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) betonte, am meisten Energie könne bei Gebäuden und Verkehr eingespart werden.