Bundestagswahlkampf Merkel und Schulz überbieten sich bei Steuerversprechen

Berlin (dpa) - Mit unterschiedlichen Vorstellungen zur Renten- und Steuerpolitik ziehen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD) in den Bundestagswahlkampf. Das von Schulz präsentierte SPD-Steuerkonzept stieß bei Wirtschaftsvertretern und anderen Parteien allerdings bereits auf Kritik.

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Die FDP forderte die Union auf, angesichts der SPD-Vorlage ebenfalls konkreter zu werden. Beim „Tag der deutschen Industrie“ in Berlin erteilte Merkel einer großen Rentenreform eine Absage: „Es gibt aus unserer Sicht bis 2030 keine Notwendigkeit, das Rentensystem jetzt wieder zu verändern.“ Zugleich bekräftigte die CDU-Chefin die Unions-Pläne zur kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Dies will aber auch die SPD, zunächst für untere und mittlere Einkommen und dann nach einem kurzen Übergangszeitraum für alle.

Nähere Angaben machte Merkel nicht. Schulz warf ihr anschließend vor, keine Lösungen für die Zukunftsthemen zu haben. Das nach SPD-Aussage durchgerechnete Renten- und Steuerkonzept für ihr Wahlprogramm soll am Wochenende auf einem Bundesparteitag beschlossen werden. CDU und CSU wollen ihr Programm für die Bundestagswahl im Juli beschließen - nicht auf einem Parteitag, sondern nur auf Ebene der Parteispitzen.

Beim Industrietag sagte Merkel: „Wir wollen den Solidaritätszuschlag ab 2020 schrittweise abschaffen - und zwar für alle.“ Die CDU will den Zuschlag von 5,5 Prozent in elf Schritten bis 2030 abbauen, die CSU pocht auf einen schnelleren Abbau. Auch deshalb betonte Merkel, sie rede als CDU-Vorsitzende: „Wir wollen Tarifentlastungen.“ Bisher hat die CDU Steuerentlastungen von jährlich 15 Milliarden Euro nach 2017 in Aussicht gestellt. Teils wird in der Union mehr gefordert.

Schulz kritisierte die von der Union geplanten Steuersenkungen. Ein modernes Deutschland brauche „keine Versprechen, die unseriös sind“. Auch die SPD peilt Entlastungen von jährlich mindestens 15 Milliarden an - vor allem ab 2020. Zugleich soll es für Geringverdiener Entlastungen bei den Sozialabgaben geben. Zur Finanzierung will die SPD unter anderem höhere Einkommen und sehr große Erbschaften stärker belasten. Merkel konterte: „Wir wollen auch an der Erbschaftsteuer jetzt erst einmal nicht rühren.“ Eine neue Vermögensteuer, wie sie linke Politiker immer wieder fordern, sei das absolut falsche Signal.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte am Dienstag, es sei bekannt, dass die Union Anfang Juli ihr Regierungsprogramm vorstelle. Bemerkenswert am SPD-Steuerkonzept sei, „dass eine steuerliche Entlastung von unteren und mittleren Einkommen stattfinden soll in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro“. Dies sei in puncto Größenordnung und Zielgruppe der Entlasteten wortgleich mit dem, was er und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) selbst schon vor Wochen gesagt hätten. Kauder: „Nichts Neues, nichts Überraschendes.“

Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf, sagte: „Die gute Wirtschaftslage ist kein Freifahrtschein zum Ausruhen.“ Statt „Steuersenkungen nach dem Gießkannenprinzip“ forderte er Steuerstrukturreformen. Und der „Soli“ sollte bereits ab 2018 auslaufen. Davon würden alle Einkommensgruppen profitieren, sagte Kempf. Insgesamt sei er beim SPD-Konzept mit in Aussicht gestellten Entlastungen von jährlich 15 Milliarden Euro „zwiegespalten“, sagte Kempf. Mit Blick auf die Pläne für eine stärkere Belastung höherer Einkommen verwies er darauf, dass ein Großteil des Aufkommens aus der Einkommensteuer von Gewerbeunternehmen beigesteuert werden.

Zustimmung für Schulz und auch Nachbesserungswünsche kamen vom SPD-Nachwuchs. Juso-Chefin Johanna Uekermann fehlt die Vermögensteuer in dem Konzept. „Für mich ist sie auch noch nicht vom Tisch“, sagte sie. Als „mutlos“ kritisierte der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, das Steuerkonzept. „Bei kleineren und mittleren Einkommen zu entlasten ist richtig. Ich finde aber, dass das zu wenig passiert“, sagte Bartsch am Dienstag im ZDF.

Der FDP-Vorsitzende Christian Linder sagte der „Saarbrücker Zeitung“ (Mittwoch): „Die SPD setzt die CDU unter Zugzwang. Vor lauter Siegesgewissheit sagt die Union bislang nicht, was sie bei Rente und Steuern konkret will.“ Mit Blick auf die SPD-Pläne betonte Lindner: „Bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist die SPD ambitionierter und näher an der FDP als die CDU.“ Zugleich plane die SPD aber eine Belastung der Leistungsträger und des Mittelstands, was er für falsch halte.