Mögliche Risiken verzögern Bewertung von erster Gentherapie
Berlin (dpa) - Die erste Gentherapie-Arznei auf dem deutschen Markt, ein Mittel mit einem neuen Rekordpreis, sorgt wegen möglicher Risiken für Ärger. Der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium des Gesundheitswesens, setzte eine vorgeschriebene Bewertung des Nutzens des Mittels aus.
Es ist das erste Mal, dass das Gremium der Krankenkassen, Ärzte und Kliniken ein neues Medikamente nicht in gesetzlich vorgegebener Frist bewertet.
Es handelt sich um Glybera gegen einen seltenen Erbgutdefekt, die Stoffwechselerkrankung Lipoproteinlipase-Defizienz. Die Behandlung eines Patienten kostet rund 1,1 Millionen Euro im Jahr. Ausgesetzt wurde die Bewertung, weil der Ausschuss erst kurzfristig Informationen über bestimmte möglichen Risiken erhalten hatte.
Bisher war noch kein Unternehmen erfolgreich mit einer Gentherapie. Deshalb wird die Entwicklung zu Glybera - einer Entwicklung eines niederländischen Biotech-Start-up-Unternehmens - in der Branche mit Spannung verfolgt. Forscher hatten zuletzt wiederholt Start-ups gegründet für Therapien, mit denen defekte Gene im Körper repariert werden sollen, und dafür Millionensummen an Kapital eingesammelt.
Ausschuss-Chef Josef Hecken begründete die ungewöhnliche Aussetzung: „Der Schutz der Sicherheit von schwerkranken Patientinnen und Patienten hat absoluten Vorrang.“ Er zeigte sich befremdet über die späte Information zu den möglichen Risiken.
Dies kam laut dem Ausschuss so zustande, dass ein zuständiger Berichterstatter der europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde EMA nach Auswertung weiterer Daten zu dem Mittel zu einer überraschenden Warnung kam. Die US-Inhaber der Zulassung habe zwar die US-Börsenaufsicht mit Blick auf mögliche Geschäftsrisiken informiert - doch erst deutlich später wurde der deutsche Bundesausschuss durch die hier zuständige Pharmafirma informiert. Auch die EMA will sich nun neu mit dem bereits zugelassenen Medikament befassen, nämlich am 23. April.
Der Vertrieb von Glybera startete Anfang November. Die Injektionslösung enthält ein den Patienten fehlendes Gen. Sie wird mehrfach in Beinmuskeln gespritzt.
Das Bewertungsverfahren des Bundesausschusses hat nichts mit der Freigabe des Medikaments zu tun. Es geht vielmehr darum, den Mehrwert für die Patienten zu ermitteln. Je nach Ergebnis soll dann der Erstattungspreis für den Mittel sinken können, den die Krankenkassen zahlen müssen. Der Kassen-Spitzenverband und der Hersteller müssen auf Basis der Bewertung über diesen Preis verhandeln.