Bundesverfassungsgericht zweifelt am Betreuungsgeld
Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht zweifelt an der Rechtmäßigkeit des hoch umstrittenen Betreuungsgeldes. Das wurde in der mündlichen Verhandlung des Gerichts in Karlsruhe deutlich.
Demnach sind die Richter vor allem skeptisch, ob der Bund überhaupt zuständig für die Einführung der Familienleistung war.
Das Gericht überprüft das Betreuungsgeld, weil Hamburg Klage gegen die Familienleistung eingelegt hat. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die 2013 auf Betreiben der CSU eingeführte Prämie von monatlich 150 Euro für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause statt in der Kita betreuen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
In der mehrstündigen mündlichen Verhandlung in Karlsruhe verteidigten Vertreter der Bundesregierung und Bayerns das Betreuungsgeld, Hamburg als Kläger hält es hingegen aus mehreren Gründen für verfassungswidrig. Das Urteil des höchsten deutschen Gerichts wird noch in diesem Jahr erwartet (Az.: 1 BvR 2/13).
Das Betreuungsgeld verstoße nicht gegen das Grundgesetz, betonte Staatssekretär Ralf Kleindiek (SPD) für das Bundesfamilienministerium in Karlsruhe. Es sei notwendig zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland und falle in ein Gesamtkonzept des Bundes zur Förderung von Familien.
Hamburg hielt dagegen: Die Prämie konterkariere die Bemühungen des Landes, möglichst vielen Kindern frühkindliche Bildung zukommen zu lassen, sagte Familiensenator Detlef Scheele (SPD). „Wir werben mit dem Besuch in einer Kindertagesstätte, und die Bundesregierung wirbt mit dem Betreuungsgeld dafür, gerade dies nicht zu tun.“ Nur frühe Bildung biete die Chance auf Teilhabe. Dies sei besonders für Kinder bildungsferner Familien und mit Migrationshintergrund wichtig.
Das Betreuungsgeld sei nicht nur Anerkennung für häusliche Betreuung der Kinder, sagte demgegenüber Bayerns Familienministerin Emilia Müller (CSU). „Es gibt Eltern mehr Wahlfreiheit zur Gestaltung ihres Familienlebens“. Bundesweit nähmen es mittlerweile rund 400 000 Eltern in Anspruch.
„Das Betreuungsgeld wirft etliche staatsorganisationsrechtliche und grundrechtliche Fragen auf“, sagte Gerichts-Vizepräsident Ferdinand Kirchhof in Karlsruhe. So müsse unter anderem geklärt werden, ob der Bund im konkreten Fall die Gesetzgebungskompetenz gehabt habe.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter sprach sich vor allem aus inhaltlichen Gründen gegen die Prämie aus: „Das Betreuungsgeld geht an der Familienform der Alleinerziehenden vorbei und stellt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar“, sagte Edith Schwab vom Verband. Alleinerziehende arbeiteten entweder und seien dann auf öffentlich geförderte Kindertageseinrichtungen angewiesen, oder sie bekämen Sozialleistungen wie Hartz IV, auf die das Betreuungsgeld dann angerechnet werde.
Das Betreuungsgeld wird maximal vom 15. Lebensmonat bis zum dritten Geburtstag gezahlt. 2015 sind 900 Millionen Euro dafür veranschlagt. 2014 seien etwa 400 Millionen Euro aufgewendet worden, sagte Müller.