Schlussvortrag NSU-Prozess: Anwalt bestreitet Tötungsabsicht Zschäpes

München (dpa) - Es müssen für Beate Zschäpe tatsächlich dramatische Stunden gewesen sein: Am 4. November 2011 erfuhr sie vom Tod ihrer beiden Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, mit denen sie fast 14 Jahre im Untergrund gelebt hatte.

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Und setzte ein Versprechen in die Tat um: die gemeinsame Wohnung „abzufackeln“. Zschäpe verschüttete Benzin in der Wohnung, zündete dieses an und verließ das Haus. Der „Nationalsozialistische Untergrund“, der jahrelang mordend durch die Republik gezogen war, dem neun türkisch- und griechischstämmige Männer und eine Polizistin zum Opfer fielen, war damit Geschichte.

Am Mittwoch im Münchner NSU-Prozess: Zschäpe lauscht dem Plädoyer ihres ersten Pflichtverteidigers Wolfgang Heer, mit dem sie sich aber vor drei Jahren überworfen hat, und der nun, teils sekundengenau, die Abläufe an jenem Tag nachzuzeichnen versucht. Oft blickt sie nur geradeaus, zeitweise beobachtet sie Heer aber auch länger und ausführlich.

Viele Stunden lang geht es in Heers Plädoyer nur um diesen einen Nachmittag. Und das hat einen einfachen Grund: Dies ist die einzige Tat, die Beate Zschäpe selbst begangen und eingeräumt hat. Von den Morden und Bombenanschlägen ihrer Freunde will sie immer erst im Nachhinein erfahren, nur die Raubüberfälle will sie unterstützt haben - ohne aber direkt dabei zu sein. Anders die Brandstiftung: Diese Tat wirft die Bundesanwaltschaft allein der heute 43-Jährigen vor.

Zur Erinnerung: Die Anklage will, das Zschäpe als Mittäterin an allen Verbrechen des NSU bestraft wird - also als Mörderin, mit lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung. Diese Anklagevorwürfe weisen sämtliche Zschäpe-Anwälte entschieden zurück. Ob das Oberlandesgericht Zschäpe am Ende tatsächlich als Mittäterin verurteilen wird, ist eine der spannendsten Fragen des Prozesses.

Doch wie ist die Brandstiftung in Zwickau zu werten? Da unterscheidet sich das Plädoyers von Rechtsanwalt Heer nicht nur von dem der Anklage, sondern auch von dem seiner Kollegen Hermann Borchert und Mathias Grasel, Zschäpes Vertrauensanwälten.

Die Anklage wirft Zschäpe mit der Brandlegung versuchten Mord vor, weil sie den Tod von Menschen in Kauf genommen habe. Zschäpes Vertrauensanwälte werten die Tat dagegen als besonders schwere Brandstiftung und fahrlässiges Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Heer, Stahl und Sturm sehen dagegen nur eine einfache Brandstiftung: Zschäpe habe Beweise für die Straftaten ihrer Freunde vernichten und die Unterstützung durch Dritte verdecken wollen. Die Vernichtung sie selbst betreffender Beweismittel sei ihr jedoch gleichgültig gewesen.

Es kommt auf die Details an, und die seziert Heer in seinem Plädoyer in aller Ausführlichkeit: Konnte Zschäpe tatsächlich fest davon ausgehen, dass niemand im Haus war, auch ihre betagte Nachbarin und zwei Handwerker nicht? Hat sie bei ihrer Nachbarin geklingelt? Wusste oder plante sie, dass es nicht einfach nur brennen würde, sondern zu Explosionen kommen würde, die Wände zum Einsturz bringen sollten?

Herr legt sich, unter Verweis auf Angaben von Sachverständigen und Zeugen, fest: „Mit dem Eintritt einer Explosion rechnete sie nicht und machte sich über die Möglichkeit einer solchen keine Gedanken.“ Die Beweisaufnahme habe wohl eher gezeigt, dass Zschäpe es damals „weder für möglich hielt, dass Menschen zu Tode kommen würden, noch dass sie den Tod von Menschen billigte oder in Kauf nahm“. Zschäpe habe lediglich das Ziel verfolgt, „einen auf ihre Wohnung beschränkten Brand zu legen“. Deshalb kein versuchter Mord. Deshalb nur einfache Brandstiftung.

Sollte das Gericht Zschäpe, wie von der Anklage gefordert, am Ende allerdings als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen verurteilen, wären derlei Unterscheidungen möglicherweise ziemlich irrelevant.