Parteien bekommen mehr Geld vom Staat
Union und SPD heben Gesamthöhe der Finanzierung an. Opposition übt scharfe Kritik.
Berlin. Wolfgang Schäuble unterbrach den Redner. „Ich bin nahe an einem Ordnungsruf“, sagte der Parlamentspräsident. Thomas Seitz von der AfD hatte die SPD gerade eine „Partei von amoralischen und schamlosen Selbstbedienern“ genannt, was SPD-Redner Mahmut Özdemir später mit dem Vorwurf von „zwielichtigen russischen“ Quellen bei den Rechtspopulisten konterte. Es ging hoch her in der Debatte um eine Anhebung der staatlichen Parteienfinanzierung.
Die wurde am Ende beschlossen, mit 371 Stimmen von Union und SPD gegen 285 Stimmen nahezu der gesamten Opposition. Statt bisher 165 Millionen Euro können die Parteien künftig maximal 190 Millionen Euro pro Jahr vom Staat bekommen, ein Plus von 15 Prozent. CDU und SPD hatten die Anhebung der bisherigen Deckelung beantragt und im Schweinsgalopp auf die Tagesordnung gesetzt. Letzte Woche Dienstag kamen die Koalitionsparteien mit dem Vorschlag, sofort am Freitag erste Lesung, Montag schon Expertenanhörung und nun die abschließende Beratung und Abstimmung.
Die heftigere Auseinandersetzung ging denn auch gar nicht um die Sache — schließlich profitieren alle Parteien von der Erhöhung. Das Geld wird nach den bisherigen Regeln verteilt, je nach Wahlergebnissen, Spendeneinnahmen und Mitgliederzahlen. Die Hauptkritik galt dem Verfahren. Die Opposition verlangte eine Vertagung, vergeblich. Die Koalition versuche im Windschatten der WM die Öffentlichkeit zu überrumpeln, meinte AfD-Mann Seitz, und auch Jan Korte von den Linken hatte diesen Verdacht. 2006 während der WM die Mehrwertsteuererhöhung, vier Jahre später die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages, bei der EM 2012 dann das Meldegesetz — „Merken Sie was?“ fragte Korte rhetorisch.
In der Sache ging die AfD fundamental auf Gegnerschaft zu dem Vorhaben. Seine Partei verachte „die von Ihnen geschaffene erbärmliche Parteiendemokratie“, sagte Seitz und sprach von „Selbstbedienung“. Im Gegenzug verwies Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Hasselmann auf den Goldhandel, den die AfD eine Zeit lang veranstaltet hatte, um ihre Kassen zu füllen. Sie hatte sich zunutze gemacht, dass solche Handelsumsätze damals ebenfalls Ansprüche auf staatliche Gelder erbrachten. 2015 schloss der Bundestag diese Lücke.
Die Begründung der großen Koalition für die nach Ansicht von SPD-Mann Özdemir „maßvolle, bescheidene und sinnvolle“ Anhebung der Höchstgrenze: Es habe seit 2011 keine Anpassung mehr gegeben, die Herausforderungen seien aber mehr geworden. Etwa durch die Digitalisierung und die stärkere Basisbeteiligung. Hintergrund: Besonders die SPD ist wegen ihres schlechten Wahlergebnisses, diverser Sonderparteitage und des Mitgliederentscheids in Nöten. FDP-Mann Hermann Otto Solms sagte dazu, auch seiner Partei sei es nach der Wahlniederlage von 2013 finanziell schlecht gegangen. „Wir haben die Zähne zusammengebissen“. Grüne und Linke bemängelten vor allem, dass durch das Tempo der Entscheidung jetzt nicht über all die anderen offenen Punkte geredet werde, vom Spendenwesen über das Sponsoring bis zu einem Lobbyregister.
Eine Rüge des Parlamentspräsidenten gab es ziemlich am Ende der Debatte dann doch noch: FDP-Mann Christoph Hoffmann hatte die AfD als „die alternative Südkurve mit den Gauleitern“ bezeichnet, was Schäuble nicht durchgehen ließ. Eine Sternstunde des Bundestags war dieser Tagesordnungspunkt wohl für keinen der Beteiligten.