Migranten Per Schleuser ins Urlaubsparadies
Hunderte Flüchtlinge werden täglich in der Ägäis aufgegriffen. Auf den Urlauberinseln treffen dann Wohlstand und Elend aufeinander.
Düsseldorf. „Hallo, ihr Lieben, ich fliege in vier Wochen nach Kos, um dort meinen wohlverdienten Jahresurlaub zu verbringen“, schreibt die Nutzerin KiraSandra1985 im Online-Portal „Gutefrage.net“. „Nun habe ich erfahren, dass auf Kos die letzten Tage Tausende Flüchtlinge angekommen sind und die Urlauber flüchten.“ Von den anderen Nutzern des Portals möchte KiraSandra1985 nun wissen, ob sie die geplante Sommersause auf der griechischen Ägäis-Insel mithilfe ihrer Reisekostenrücktrittsversicherung abblasen kann. Ihren Urlaub möchte KiraSandra1985 „unter diesen Umständen nicht dort verbringen!“.
Viel Glück mit ihrem Stornierungswunsch dürfte die besorgte Urlauberin allerdings nicht haben. „Umbuchungen oder Stornierungen sind nur nach offiziellen Reisewarnungen oder bei Gefahr für Leib und Leben möglich“, sagt Stefan Suska, Sprecher des Düsseldorfer Reiseveranstalters Alltours. „Das ist aber gar nicht der Fall. Dort treffen ja nur Menschen auf Menschen.“ Ähnlich sieht es Christian Schmicke vom Reiseanbieter Thomas Cook: „Die reine Anwesenheit von Flüchtlingen ist kein Anzeichen von Gefahr.“
Die Anwesenheit immerhin lässt sich kaum bestreiten. Die griechische Küstenwache hat binnen der vergangenen drei Tage mehr als 4000 Flüchtlinge in der Ägäis aufgegriffen. Allein im ersten Quartal 2015 kamen nach Berichten der griechischen Küstenwache 40 297 Migranten auf den Ägäis-Inseln an. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 6500 gewesen; im gesamten Jahr 2014 zählten die dortigen Behörden 34 000 Flüchtlinge. Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Vereinten Nationen bereits mehr als 100 000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa geflohen.
Die Lage ist nach Berichten örtlicher Medien dramatisch. Die Helfer der humanitären Organisationen seien erschöpft. Flüchtlinge müssen in vielen Fällen im Freien schlafen. Die Behörden können den Flüchtlingszuzug nicht mehr stoppen. „Die Schleuser bringen die Menschen direkt in den Hafen rein“, sagte ein Offizier der Küstenwache von der Insel Chios.
Dort oder in Innenstädten wie der von Kos treffen sie dann auch auf Touristen. Besonders englische Medien berichteten jüngst von wütenden Erholungswilligen, die sich vom Anblick der Flüchtlinge gestört fühlten. Einige griechische Gastronomen sollen die Fenster ihrer Restaurants schon mit Planen verrammelt haben, damit hungrige Flüchtlinge den zahlenden Gästen nicht auf die Teller schauen — aus den Augen, aus dem Sinn und noch ein Ouzo aufs Haus.
Beschwerden von deutschen Urlaubern hat es zumindest bei Thomas Cook und Alltours noch nicht gegeben. Die örtlichen Reiseleitungen sind aber über mögliche Konflikte informiert und angewiesen, aktuelle Entwicklungen an die deutschen Zentralen zu melden. Fragen besorgter Touristen zu den Bootsflüchtlingen gebe es bisher kaum. „Unsere Gäste wollen schon eher wissen, was passiert, wenn Griechenland über Nacht die Eurozone verlässt“, sagt Stefan Suska.