Defizite bei Mathematik PISA-Kurve zeigt für Deutschlands Schüler leicht nach unten
Berlin (dpa) - Deutschlands Schüler haben trotz leichter Rückschläge bei den PISA-Tests ihren vorderen Mittelfeldplatz in der weltweiten Bildungsrangliste gefestigt.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) - Ausrichter der Vergleichsstudie für gut eine halbe Million 15-Jährige aus über 70 Ländern und Regionen - warnte vor nachlassendem Reformschwung. Die Kultusministerkonferenz der 16 Länder (KMK) und der Bund sicherten zu, für bessere PISA-Ergebnisse ihre Hausaufgaben zu machen.
„Es gibt eine Stabilisierung auf hohem Niveau, auf die man durchaus stolz sein kann“, sagte KMK-Präsidentin Claudia Bogedan (SPD) bei der PISA-Präsentation. „Wir haben unseren Platz in der Rangliste gehalten, andere Länder haben sich verschlechtert.“ Aber es müsse Ziel der deutschen Bildungspolitik sein, „weiter nach oben aufzuschließen“ - und das sei nur im Bereich Lesekompetenz knapp geglückt, nicht aber in Mathematik und Naturwissenschaften.
Schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland seien die weiterhin bestehenden Geschlechterunterschiede bei der Begeisterung für Naturwissenschaften, betonte Bogedan. Mädchen sind hier nach der PISA-Studie meist schwächer als Jungen und sehen in diesem Bereich auch keine beruflichen Perspektiven. Am unteren Rand der Leistungsskala sei Deutschland insgesamt besser geworden.
Laut PISA-Studie kam Deutschland in Naturwissenschaften auf 509 Punkte (2012: 524), in Mathematik auf 506 (514). Bei Lesekompetenz/Textverständnis steigerten sich die 15-Jährigen leicht auf 509 Punkte (508) - hier schnitten sie so gut ab wie nie zuvor seit der missglückten PISA-Premiere 2000. Erstmals wurde im April/Mai vorigen Jahres auch Problemlösen im Team als Indikator für soziale Kompetenz getestet - diese Ergebnisse stellt die OECD erst 2017 vor.
Trotz des Leistungsknicks beim sechsten „Programme for International Student Assessment“ (PISA) steht Deutschland alles in allem solide im Vorderfeld der Ränge 10 bis 20 - und durchweg über dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Dieser sank in Naturwissenschaften im Vergleich zu 2012 von 501 auf 493 PISA-Punkte, in Mathematik von 494 auf 490 und in Lesekompetenz von 496 auf 493.
PISA-Sieger mit klarem Abstand ist Singapur. Der südostasiatische Insel- und Stadtstaat liegt in den Naturwissenschaften mit 556 Punkten vor Japan (538) und Estland (534) als bestem europäischen Land. In Mathematik rangiert Singapur mit 564 Punkten vor den chinesischen Großregionen Hongkong (548) und Macao (544), in Lesekompetenz mit 535 Punkten vor Kanada und Hongkong (jeweils 527) sowie dem langjährigen PISA-Europameister Finnland (526).
Der Berliner OECD-Experte Heino von Meyer fasste den Befund für das deutsche Bildungssystem nach der sechsten PISA-Studie in Berlin so zusammen: „Deutschland hat das Jammertal des PISA-Schocks von 2000 verlassen.“ Von einer „Aufstiegsdynamik“ sei aber leider nichts mehr zu spüren. Der „PISA-Schock“ vor 15 Jahren mit miserablen Test-Ergebnissen hatte zahlreiche Bildungsreformen zur Folge.
Insgesamt gingen indes nicht nur für Deutschlands 15-Jährige, sondern auch bei vielen anderen Teilnehmerländern die Punktwerte herunter. Dies betraf etwa die Schweiz (minus 17 Punkte bei Lesekompetenz), Österreich (minus 11 in Naturwissenschaften) oder die Niederlande (minus 11 in Mathematik). Frankreich erreichte sogar in keinem einzigen Teilbereich 500 Punkte. Und die USA stürzten zum Beispiel in Mathematik von vorher schon mäßigen 481 Punkten auf 470 ab.
Der PISA-Report stellt fest, dass hierzulande der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen weiterhin vorhanden ist. Die Kluft habe sich aber „deutlich abgeschwächt“, wie von Meyer sagte. Ein hohes Maß an Bildungsgerechtigkeit schaffen Kanada, Dänemark oder Estland. In Deutschland erreichte jeder neunte 15-Jährige bei „PISA 2015“ Spitzenleistungen - das lag drei Prozentpunkte über OECD-Level. Auf der anderen Seite gibt es weiterhin zu viele „Risikoschüler“ mit sehr schwachen PISA-Leistungen.
Für die Schulexpertin der Bildungsgewerkschaft GEW, Ilka Hoffmann, ermöglichen „Studien, die auf Durchschnittswerten beruhen, nur sehr grobe Einschätzungen“. So sage etwa PISA „nur sehr wenig über die Arbeit der Einzelschule und deren Möglichkeiten, für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen, aus“. Der Verband Bildung und Erziehung betonte: „Die Ergebnisse von PISA können nicht zudecken, dass das Problem der Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft weiterhin ein Kernproblem in Deutschland ist.“
Der Chef des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte: „Ich habe das Gefühl, dass bei vielen Struktur- und Bildungsreformen die Schülermehrheit, der Durchschnittsschüler zunehmend aus dem Blick geraten ist. Das muss sich ändern, will Deutschland bei der Bildungsqualität noch mehr nach vorne kommen.“