Pkw-Maut ohne Vignette: Dobrindt erwartet 500 Millionen Euro
Berlin (dpa) - Die umstrittene Pkw-Maut soll für Autofahrer einfacher werden - ohne Vignette für die Windschutzscheibe. Die Gebühr wird elektronisch verbucht und über das Nummernschild kontrolliert.
Das sieht der Gesetzentwurf vor, den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vorstellte. Inländer sollen die Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen zahlen, aber voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Für Fahrer aus dem Ausland gilt die Maut nur auf Autobahnen.
Daraus erwartet Dobrindt nach Abzug der Kosten rund 500 Millionen Euro im Jahr, die extra ins Verkehrsnetz fließen sollen. Die Opposition und Autofahrerclubs warnten vor einem Nullsummenspiel.
Eingeführt werden soll die Maut 2016 für Pkws und Wohnmobile, aber nicht für Motorräder. Inländer müssen die neue „Infrastrukturabgabe“ jeweils für ein Jahr zahlen. Der Preis wird nach Umweltfreundlichkeit und Hubraum berechnet. Höchstens werden 130 Euro fällig, im Schnitt 74 Euro. Als Ausgleich für ihre Mautzahlungen sollen Inländer einen „Entlastungsbeitrag“ in selber Höhe bei der Kfz-Steuer erhalten.
Dobrindt verteidigte die Maut als „fair, sinnvoll und gerecht“. Sie schließe eine Gerechtigkeitslücke, indem sie „all diejenigen angemessen an der Finanzierung unserer Straßen beteiligt, die bisher diese kostenlos nutzen“, sagte er mit Blick auf Autofahrer aus dem Ausland.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Vorgabe des Koalitionsvertrags werde eingehalten, inländische Fahrer nicht zu belasten. „Das war ja mein Hauptpunkt“, sagte die CDU-Chefin.
So soll der Halter eines VW Golf 5 Diesel statt der bisherigen Steuer von 293,36 Euro künftig noch 163,36 Euro Steuer zahlen - sowie 130 Euro für die Infrastrukturabgabe. Besonders schadstoffarme neue Fahrzeuge der Euro-6-Klasse sollen sogar leicht entlastet werden. Für einen Fiat 500 1.2 werden beispielsweise künftig insgesamt 75,40 Steuer und Maut fällig und damit 2,60 Euro weniger als derzeit an Kfz-Steuer. Fahrzeuge, die keine Kfz-Steuer zahlen wie Elektroautos oder Wagen behinderter Fahrer, sollen auch von der Maut befreit sein.
Typische Gebührenmarken („Pickerl“) sind nun nicht mehr vorgesehen. Inländer sollen vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg einen Bescheid über die Maut erhalten, die dann jährlich abgebucht wird. Zur Überwachung ist eine elektronische Nummernschild-Erkennung geplant. Den Haltern von nicht als Mautzahlern registrierten Autos drohen Geldbußen. Ist alles in Ordnung, würden die Daten gelöscht, sagte Dobrindt.
Pkw-Fahrer aus dem Ausland können ebenfalls eine Jahresmaut nach den Fahrzeugeigenschaften bezahlen. Zudem soll es für sie im Internet und an Tankstellen eine Zehn-Tage-Maut für 10 Euro und eine Zwei-Monats- Maut für 22 Euro geben. Insgesamt werden von In- und Ausländern rund 3,7 Milliarden Euro an Maut-Einnahmen im Jahr erwartet, darunter 700 Millionen Euro von Wagen aus dem Ausland. Als Kosten für den Betrieb des Systems und Kontrollen werden 195 Millionen Euro im Jahr geplant.
Der Koalitionspartner SPD sieht noch offene Fragen. „Wir werden genau hinschauen, ob die Pkw-Maut mehr Geld für Verkehrsinvestitionen bringt“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD), sagte, am Ende werde der Bundestag über das Gesetz entscheiden. Zunächst soll der Entwurf innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden.
Der Autofahrerclub ADAC bezweifelt, dass Mehreinnahmen entstehen. „Es wird netto nichts übrig bleiben“, sagte ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Albrecht. Verwaltungskosten dürften bei 300 Millionen Euro liegen. Der Auto Club Europa (ACE) kritisierte, so sei die Finanzlücke beim Verkehrsnetz nicht zu schließen. Grünen-Chefin Simone Peter sagte: „Auch wenn Dobrindts Mautpläne zurechtgestutzt wurden: Murks bleibt Murks.“ Der „Wegezoll für Pkw“ mache weder ökologisch noch ökonomisch Sinn und müsse auch den „EU-Check“ erst noch bestehen.
Auf Drängen der CSU haben Union und SPD die Maut im Koalitionsvertrag vereinbart. Dobrindt betonte, sein Konzept erfülle auch die Vorgabe, Ausländer gemäß EU-Recht nicht zu benachteiligen. Nach Protesten vor allem aus der CDU wegen befürchteter Einbußen für Grenzregionen war er davon abgerückt, alle Straßen einzubeziehen. Da keine Landes- und Kommunalstraßen mehr betroffen sind, sollen alle Einnahmen an den Bund gehen. Österreichs Regierung behält sich weiter rechtliche Schritte gegen eine mögliche Diskriminierung von EU-Bürgern vor.