SPD Putzfrau "Susi" weist SPD-Chef zurecht

Sigmar Gabriel meldet sich zurück und rückt die verunsicherte SPD ein bisschen nach links. Das freut eine resolute Betriebsrätin aus dem Ruhrpott, die dem Vizekanzler ordentlich den Kopf wäscht.

SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und Susanne Neumann auf der "Wertekonferenz Gerechtigkeit" im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

Foto: Wolfgang Kumm

Berlin. Er ist wieder da. Sigmar Gabriel taucht am Montag hinter einer riesigen Plakatwand auf. Im proppevollen Willy-Brandt-Haus wird geklatscht. Zaghaft. Danach tritt eine angespannte, fast gespenstische Stille ein. Gabriel wird von den meist älteren, grauhaarigen Gästen beäugt wie ein Fossil. Offensichtlich haben sich viele Genossen - trotz aller Dementis - doch ernsthaftere Sorgen um ihren Vorsitzenden gemacht. Der Vizekanzler hat eine kleine Frau mit braun-grauen Stoppelhaaren im Schlepptau. Wie sich später herausstellt, wird sie als eine Art Geheimwaffe dem angeschlagenen SPD-Chef helfen, der Gerechtigkeitskonferenz einen hohen Unterhaltungswert zu geben.

Die Rede ist von Susanne „Susi“ Neumann. Eine Betriebsrätin aus Gelsenkirchen mit Krebs, die 38 Jahre als Putzfrau malocht hat, 725 Euro Rente erwartet und nur dank „ihres lieben Mannes“ nicht zum Sozialamt gehen muss. Neumann war Mitte April in der ARD-Talkshow von Anne Will. Dort lieferte sie sich mit der Düsseldorfer Regierungschefin Hannelore Kraft ein Duell. Kraft überredete die Putzfrau mit der großen Klappe hinterher, in die SPD einzutreten. Jetzt sitzt Frau Neumann plötzlich als Assistentin von Gabriel auf der großen Bühne. Sie wolle der SPD helfen: „Wenn die SPD weg ist, haben wir ja überhaupt nichts mehr.“ Gabriel stimmt ihr zu: „Ich finde das ein nachvollziehbares Argument.“ Am heißen Himmelfahrts-Wochenende fragte sich ja die halbe Republik, ob Gabriel selbst bald weg ist.

Anfangs wirkt er für seine Verhältnisse dennoch gehemmt. Dann kommt der Goslarer in Fahrt. Gabriel sagt viele Dinge, die bemerkenswert sind. Es ist eine linke Rede. Hinterher sagen prominente Vertreter des linken Flügels mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht.

Den größten Applaus heimst aber Putzfrau „Susi“ Neumann aus dem Pott ein. Sie regt sich auf, dass die SPD nichts gegen befristete Arbeitsverträge in der Wirtschaft tut. Sorry, sagt Gabriel, war mit der Union nicht zu machen. „Warum bleibt ihr dann bei den Schwatten?“, fragt Frau Neumann. Der Saal jubelt. So ist das bei der SPD. Auch auf der Regierungsbank immer Opposition.