RAF-Prozess: Bubacks Plädoyer endet im Eklat
Stuttgart (dpa) - Zum Schluss kommt es im Prozess gegen Verena Becker zu einem Eklat. Zwei Verhandlungstage lang hat Michael Buback sein Plädoyer verlesen, 272 Seiten hatte das Manuskript
Es ist ein letzter Versuch, vielleicht doch noch das Gericht von seiner These zu überzeugen, dass es die Angeklagte Verena Becker war, die als Terroristin der „Rote Armee Fraktion“ am 7. April 1977 seinen Vater erschoss, den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Und dass sie anschließend bei den Ermittlungen geschützt wurde, weil sie mit Geheimdiensten zusammengearbeitet hatte.
Zwei Tage lang hatten sich die Vertreter der Bundesanwaltschaft den Vortrag Bubacks angehört. Zwischendurch sah es aus, als seien sie in eine Art Duldungsstarre verfallen, doch in ihnen brodelte es - das merkte man in den Verhandlungspausen, das merkte man, als Oberstaatsanwältin Silke Ritzert Buback einmal ins Wort fällt, weil er sie falsch zitiert habe.
Bundesanwalt Walter Hemberger hatte in einer Art vorsorglicher Verteidigung schon am Dienstag alles zu zerpflücken versucht, was Buback vorbringen könnte. Am Ende hatten die Ankläger eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren wegen Beihilfe zum Mord beantragt - dass sie selbst am Tatort war, glauben sie nicht. Und tatsächlich haben die 91 Verhandlungstage keine belastbaren Hinweise darauf ergeben, dass Verena Becker die Todesschützin war.
Aber Buback gibt nicht auf. Es scheint, als könne er es nicht akzeptieren, dass sein Vater zum Opfer eines brutalen und kaltblütig ausgeführten, letztlich aber auch banalen und dummen Verbrechens wurde. Als müsste noch etwas anderes dahinterstehen, etwas größeres.
Ein letztes Mal kratzt Buback alles zusammen, was aus seiner Sicht für einen Skandal spricht, der tatsächlich ungeheuerlich wäre. 27 Zeugen nennt er, die eine Frau auf dem Soziussitz gesehen hätten - wobei allerdings einige schon tot sind, andere sich vor Gericht in Widersprüche verwickelten und wieder andere an einem anderen Tag oder an einer anderen Stelle ein Motorrad mit einer Frau gesehen hatten. Das sagt Buback nicht so deutlich.
Dann listet er die Fehler auf, die aus seiner Sicht bei den Ermittlungen gemacht wurden - und die, wie er meint, dazu dienten, die Täterschaft Verena Beckers zu verschleiern. Es seien „Fehler, die nicht mit Schlamperei erklärt werden können, weil dies viel zu unwahrscheinlich ist“, meint Buback. Man könne jedoch „das eigentlich Unbegreifliche verstehen, wenn man annimmt, dass es eine schützende Hand für Verena Becker gab“. Dann wird er konkreter: Er nennt den Nachfolger seines Vaters, Generalbundesanwalt Kurt Rebmann sowie den ehemaligen BKA-Vizepräsidenten und späteren Verfassungsschutz-Chef Gerhard Boeden.
Buback schließt sein Plädoyer mit einem Ausdruck der Resignation. Er halte Verena Becker für überführt. Sie sei die Schützin. Aber es lasse sich nicht sagen, wer die Hinterleute gewesen seien. „Es ist nicht auszuschließen, dass Frau Becker zu Handlungen gedrängt oder gezwungen wurde.“ Deshalb fordere er keine Strafe. „Frau Becker hat viel Glück. Vor allem hat sie mächtigere Verbündete, als ich sie habe und als mein Vater sie hatte.“
Buback fährt fort mit einer Klage: Die Bundesanwaltschaft habe ihm vorgeworfen, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Er fühle sich beleidigt und verunglimpft. „Das Urteil hat, wie auch immer es ausfallen mag, keinen hohen Wert mehr für uns, da der Weg dorthin zu hart für uns war.“
Als Buback schließt, gibt es Applaus - die Gemeinde seiner Unterstützer macht einen Großteil der Zuhörer aus. Doch dann meldet sich Bundesanwalt Hemberger zu Wort. Er wolle eine Stellungnahme abgeben. Es müsse sofort sein. Seine Stimme klingt scharf. Seine Worte auch: „Es ist eine durch nichts zu rechtfertigende Unverfrorenheit, wie ein integerer Behördenleiter und die ihm untergebenen Beamten einer Straftat, nämlich der Rechtsbeugung, bezichtigt werden. Jedes weitere Wort ist der Vortrag des Nebenklägers nicht wert.“ Ende der Verhandlung. Allgemeine Verwunderung. Am 6. Juli soll das Urteil verkündet werden.