Ramelow erklärt Aufarbeitung von DDR-Unrecht zur Chefsache
Erfurt (dpa) - Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will die Aufarbeitung der SED-Diktatur zur Chefsache machen. Das Thema werde direkt in der Staatskanzlei angesiedelt, sagte er der „Thüringischen Landeszeitung“ (Samstag).
Zudem wolle er mit Vertretern von Opferverbänden und Gedenkstätten intensiv zusammenarbeiten. „Ich persönlich stehe dazu, dass wir Räume öffnen müssen, damit wir mit Opfern - und Opfer mit uns - ins Gespräch kommen“, hatte Ramelow schon am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“ gesagt. Indes hält der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, Misstrauen gegenüber der Linkspartei weiterhin für angebracht. „Glaubwürdige Aufarbeitung? Fehlanzeige!“, schrieb er in einem Gastbeitrag in der „Bild“-Zeitung.
Jahn verwies auf verschwundenes SED-Vermögen und fehlendes Eingehen auf die Opfer. „Vergebung kann auch von Bodo Ramelow und seiner Regierung nicht verordnet werden. Den Zeitpunkt der Vergebung bestimmen die Opfer. Lippenbekenntnisse heilen keine Wunden.“
„Man kann wählen zwischen Ausgrenzen und Einbinden“, erklärte Thüringens neuer Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in der „Sächsischen Zeitung“ (Samstag). „Jetzt geht es darum, Menschen eine Chance zu geben, über ihre Vergangenheit neu nachzudenken.“ Einen Schlussstrich unter die DDR-Vergangenheit werde es nicht geben. Er rechne damit, dass von der neuen rot-rot-grünen Koalition in Erfurt Impulse ausgehen für die Vergangenheitsbewältigung der Linken über Thüringen hinaus.
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, erwartet, dass die Wahl Ramelows zum ersten Regierungschef der Linken in Deutschland und die damit einhergehende gewachsene Verantwortung Folgen für seine Partei haben wird. Die Linke müsse sich „in bestimmter Hinsicht etwas disziplinieren“, sagte Gysi der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Samstag).
Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt sieht die Linke vor einer Zerreißprobe. Sie werde einer „innerparteilichen Abnutzung“ entgegengehen, ähnlich wie die SPD nach der Reform-„Agenda 2010“. „Es würde mich wundern, wenn diese Regierung fünf Jahre lang überlebt“, sagte Patzelt der „Rhein-Zeitung“ (Samstag).