Ab Mittwoch in Kraft Regelung des Familiennachzugs bleibt in der Kritik
Berlin (dpa) - Die von diesem Mittwoch an geltende Neuregelung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlinge stößt bei Opposition und Sozialverbänden weiter auf Kritik.
Nach gut zweijähriger Unterbrechung dürfen nun zwar wieder Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus nach Deutschland kommen, insgesamt aber nicht mehr als 1000 im Monat. Diese Begrenzung halten Grüne, FDP und Sozialverbände für inhuman, weil zu starr und technokratisch.
Auch die Auswahlkriterien werden kritisiert. Erwachsene dürfen Ehepartner und minderjährige Kinder zu sich holen, unbegleitete Minderjährige ihre Eltern. Kriterien sind unter anderem die Dauer der Trennung, das Kindeswohl und die Frage, ob den Angehörigen Gefahr droht. Außerdem soll berücksichtigt werden, ob jemand krank oder pflegebedürftig ist. Bonuspunkte erhält, wer zur Sicherung des Unterhalts der Familie beiträgt. Es könnte mehrere Jahre dauern, bis die Zahl der erwarteten Anträge abgearbeitet ist.
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sagte der „Passauer Neuen Presse“, mit der Kontingentierung verändere die Bundesregierung auch den Charakter des Grundgesetzes. Artikel 6, „nach dem Ehe und Familie unter besonderem Schutze der staatlichen Ordnung stehen, wird so zum Gnadenrecht, das eben nicht mehr universell gilt“, sondern nur für einige wenige Ausnahmen.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Luise Amtsberg, kritisierte, die Rangfolge der humanitären Kriterien für den Nachzug sei nach wie vor unklar und liege allein im Ermessen der Behörden. Für Betroffene sei das Verwaltungsverfahren kompliziert. Bund und Länder müssten nun wenigstens dafür sorgen, dass das zugesagte Personal für Botschaften, Bundesverwaltungsamt oder Ausländerbehörden rasch eingestellt werde.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), argumentierte im Sender n-tv: „Wenn eine schwere Erkrankung oder Behinderung vorliegt, sind dies natürlich vor allem humanitäre Gesichtspunkte, die mit zu berücksichtigen sind. Auch der Umstand, dass minderjährige Kinder vorhanden sind, ist natürlich ein wichtiger humanitärer Aspekt.“ Außerdem werde der voraussichtliche Integrationserfolg berücksichtigt. In diesem Jahr könnten noch 5000 Personen insgesamt kommen. Das bedeute nicht, dass der 5001. keine Chance mehr habe. Dann bestehe die Möglichkeit, im Januar ein Einreisevisum zu erhalten.
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, die Bundesregierung habe eine technokratische, statt einer humanitären Lösung gewählt. Statt die Zahl der Angehörigen auf 1000 pro Monat zu begrenzen, wäre es besser gewesen, sachliche Gründe für den Nachzug festzulegen. Als Kriterien nannte Thomae etwa Minderjährigkeit von Angehörigen oder die Fähigkeit eines Flüchtlings, seine Familie in Deutschland selbst zu versorgen.
Thomae wies darauf hin, dass bei den deutschen Auslandsvertretungen rund 34.000 Terminanfragen für den Familiennachzug registriert sind. „Wenn Sie davon ausgehen, dass jeweils zwei Angehörige nachgeholt werden sollen, kommen Sie auf 60.000 bis 70.000 Familienmitglieder“, sagte er. Wenn aber nur 1000 pro Monat kommen dürften, dann dauere dieses Verfahren bis zu sechs Jahre. Rechne man die verstrichene Wartezeit ein, „dann kommen da acht Jahre zusammen, die eine Familie getrennt gewesen ist“.
Von den 34.000 Terminanfragen stammen allerdings viele aus dem Herbst 2016. Nicht alle, die sich damals um ein Visum zum Familiennachzug bemüht hatten, dürften dies heute noch wollen. Manche von ihnen sind womöglich längst auf eigene Faust nach Deutschland gekommen.
Die Diakonie hält humanitäre Schutzbedürftigkeit und eine starre Kontingentlösung generell „für miteinander nicht vereinbar“. Vorstandsmitglied Maria Loheide sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag), es sei unklar, wie die 1000 Personen monatlich ausgewählt werden sollen. Auch die Caritas hält die Zahl von 1000 Angehörigen pro Monat für zu niedrig. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes, Christian Reuter, sagte dem RND, es sei oft schwer nachzuweisen, dass tatsächlich humanitäre Gründe für den Nachzug vorlägen.