Konzepte liegen auf dem Tisch Ringen beim Klimaschutz - Das sind die größten Knackpunkte

Berlin · „Der Worte sind genug gewechselt“, dichtete Goethe. Nun wird es Zeit für Taten beim Klimaschutz in Deutschland - aber Union und SPD sind längst nicht überall auf einer Linie. Auf die Koalition kommt eine anstrengende Woche zu.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Die Konzepte liegen auf dem Tisch, nun stehen politische Entscheidungen an - von großer Tragweite. Deutschland hinkt beim Klimaschutz den eigenen Ankündigungen und den EU-Pflichten hinterher. Um das zu ändern - und den Demonstranten von „Fridays for Future“ etwas vorweisen zu können - will die große Koalition aus Union und SPD das komplizierte Geflecht von Steuern und Abgaben umbauen und Milliarden an Fördergeldern und Steuer-Boni verteilen.

Am Freitagabend wollten die Koalitionsspitzen erneut zusammenkommen - es dürfte nicht das letzte Mal sein. Denn mit großen Entscheidungen rechnete vor dem Treffen im Kanzleramt kaum jemand. Am 20. September will die Regierung - genauer gesagt, das sogenannte Klimakabinett - ein „Gesamtpaket“ vorlegen. Was drin steckt? Da ist noch viel unklar.

In vielem sind die Koalitionspartner schon einig oder schrauben nur noch an Details: Die Bahn wollen sie über eine geringere Mehrwertsteuer für Tickets im Fernverkehr günstiger machen, den öffentliche Personennahverkehr ausbauen. Wer in neue Fenster, ein neues Dach oder eine neue Heizung investieren und sein Haus damit klimafreundlicher machen will, darf sich schon auf einen Steuernachlass und eine Abwrackprämie für Ölheizungen freuen. Auch in die Elektromobilität wollen Union und SPD mehr Geld stecken.

An anderer Stelle gibt es noch keine Einigung:

CO2-PREIS: Alle Förderprogramme werden nicht ausreichen, um wie geplant bis 2030 den CO2-Ausstoß um 55 Prozent zu senken im Vergleich zu 1990. Deshalb sollen Diesel, Benzin und Heizen mit Öl und Erdgas teurer werden. Im Ziel sind sich Union und SPD einig - und auch darin, dass die Bürger an anderer Stelle entlastet werden sollen. Aber wie soll das passieren?

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) warb für einen CO2-Preis über eine Erhöhung der Energiesteuern, der recht schnell umsetzbar wäre. Das eingenommene Geld soll aber nicht ins Säckel des Staates wandern, sondern als „Klimaprämie“ zurückgehen an die Bürger. Der CO2-Steueraufschlag könnte ab 2020 schrittweise steigen.

Die Union dagegen will auf keinen Fall das Wort „Steuererhöhung“ im Klimakonzept stehen haben. Sie setzt auf einen anderen Weg: fossile Kraft- und Heizstoffe sollen über einen nationalen Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten auch im Verkehr und bei Gebäuden verteuert werden. Ein solches System gibt es bereits für die Energiewirtschaft und Teile der Industrie auf EU-Ebene. Die SPD hat Kompromissbereitschaft signalisiert, wenn im Handel eine Ober- und Untergrenze für den Preis eingezogen wird. Das will auch die Union.

Geklärt ist damit aber noch nichts, dann Ober- und Untergrenze müssen ja noch festgelegt werden. Vor allem die CSU dringt auf eine Übergangsphase - damit Wirtschaft und Verbraucher Zeit haben, sich auf einen CO2-Preis einzustellen. Andere wollen sofort mit einem Festpreis starten, bis das komplizierte Handelssystem steht.

FINANZIERUNG: Die Kosten der Vorschläge für mehr Klimaschutz summieren sich auf Dutzende Milliarden Euro - für eine Abwrackprämie für alte Ölheizungen, Steuerboni, Steuersenkungen, Prämien. Unklar ist, wie sich die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung entwickeln - die aber zumindest die SPD den Bürgern ja zurückzahlen will, sie bringen dem Staat kein zusätzliches Geld.

Woher also sollen die Milliarden kommen? Bisher hält die Koalition an der „schwarzen Null“ fest, einer Politik ohne neue Schulden. Im Energie- und Klimafonds liegen noch ein paar Milliarden, das wird aber nicht reichen. In Konzepten von Union und SPD ist deswegen die Rede davon, die Bürger anzupumpen. Die CSU spricht von einer „Klimaanleihe“, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von einer „Bürger-Anleihe“.

Das Prinzip: Der Staat gibt fest verzinste Anleihen heraus, um für Projekte zum CO2-Sparen privates Kapital von Wirtschaft und Privatleuten zu mobilisieren. Nur wären dies am Ende auch Schulden des Staates - der sich derzeit angesichts extrem niedriger Zinsen am Kapitalmarkt eigentlich günstigeres Geld besorgen könnte. Kein Wunder, dass Haushaltspolitiker das kritisch sehen.

KLIMASCHUTZGESETZ: Umweltministerin Schulze will Verantwortlichkeiten beim CO2-Sparen klar den Ressorts zuteilen, etwa dem Verkehrsminister oder der Landwirtschaftsministerin. Ein „Rahmengesetz“ soll für Sektoren wie Energieerzeugung, Industrie, Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr verbindliche Budgets an Kohlendioxid festschreiben. Wer sein Ressortziel reißt, dem drohen Strafzahlungen und Sofortprogramme. Gegen diese Pläne aber gibt es großen Widerstand in CDU und CSU, weil sie vor allem unionsgeführte Ministerien treffen würden.

ÖKOSTROM-AUSBAU: Ziel der Koalition ist es, bis 2030 den Ökostrom-Anteil auf 65 Prozent zu steigern - gerade sind es etwa 38 Prozent. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, 2038 soll spätestens Schluss sein mit dem Strom aus Kohle. Aber wie und wo genau mehr Solaranlagen und Windräder entstehen sollen, ist höchst umstritten. Denn vor Ort gibt es oft heftigen Widerstand der Anwohner. Die SPD will zum Beispiel Kommunen an den Erträgen der Windkraft beteiligen.

(dpa)