Ruf nach NPD-Verbot wird lauter

Berlin (dpa) - In den Ländern wird der Ruf nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren immer lauter - auf die dafür notwendige einheitliche Linie haben sich die Innenminister aber noch nicht verständigt. Das ergab am Freitag eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Die Entscheidung wird auf der Innenministerkonferenz nächste Woche erwartet. In Jena, der Heimatstadt des Thüringer Terrortrios, feierten mehrere zehntausend Menschen auf einem Rockkonzert gegen Rechts.

„Wir werden den braunen Spuk, den braunen Terror beenden“, versprach „Panikrocker“ Udo Lindenberg vor dem Konzert und rief die Deutschen zum gemeinsamen Kampf gegen Rechts auf. Es sei unerträglich, dass die „braune Jauche“ in manchen Orten die Regie übernommen habe. Unter dem Motto „Bunte Republik Deutschland“ feierten am Abend mindestens 40 000 Menschen im Jenaer Paradiespark. Neben Lindenberg waren auch Peter Maffay und die Ostrockband Silly gekommen.

Der Rechtsterrorismus ist das wichtigste Thema der Innenministerkonferenz vom 7. bis 9. Dezember in Wiesbaden. Es gebe keine Vorfestlegung auf ein NPD-Verbot, sagte der Vorsitzende, der hessische Ressortchef Boris Rhein (CDU). „Keiner will die NPD haben.“ Es dürfe nicht riskiert werden, dass ein solches Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum zweiten Mal scheitere.

Die „Rheinische Post“ hatte berichtet, nach den jüngsten Verhaftungen im Zusammenhang mit der Mordserie der Neonazi- Terrorzelle gebe es eine „überwältigende und parteiübergreifende Mehrheit“ für ein neues Verfahren. Über ein mögliches NPD-Verbot werden die Minister voraussichtlich bei ihrem traditionellen Kaminabend ohne Delegationen sprechen. Dies zeigt, welche Bedeutung sie dem Thema beimessen.

Ein Parteiverbot muss beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Ein Beschluss der Innenminister dafür wäre aber zunächst nur ein Signal. Nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat können einen Verbotsantrag stellen. Die IMK müsste den Beschluss zudem ohne Gegenstimme fassen, da das Prinzip der Einstimmigkeit gilt. Der Bundesinnenminister ist als Gast der IMK nicht stimmberechtigt.

Nach Ansicht vor Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat die NPD-Verbotsdebatte eine neue Dynamik erhalten, weil nun mögliche Querverbindungen zu Gewalttaten der Zwickauer Terrorzelle geprüft werden. „Wenn wir eindeutige Verbindungen zwischen der NPD und Gewalttaten haben, dann hätten wir eine andere Situation, als wenn wir jetzt noch einmal anfangen müssen, zusätzlich Belege, Indizien, Beweismittel zu sammeln“, sagte der CSU-Politiker. Für die Verbindungen zu Gewalttaten gebe es derzeit aber noch keine festen Beweise.

Das oberste deutsche Gericht hatte ein erstes Verbotsverfahren 2003 gestoppt - und zwar wegen der unklaren Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes in Vorständen der NPD. Am Dienstag war mit dem früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle, der zehn Morde vorgeworfen werden, in Untersuchungshaft genommen worden. Generalbundesanwalt Harald Range rechnet mit weiteren Belegen für die Nähe der Neonazi-Terrorzelle zur NPD.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) plädierte für die Einleitung eines neuen Verbotsverfahrens im ersten Halbjahr 2012. „Wir müssen alles zusammentragen, was in den vergangenen Jahren an Gewalttätigkeiten von NPD-Mitglieder bekanntgeworden ist“, sagte er der dpa. Wenn NPD-Mitglieder wegen Gewalttaten verurteilt worden seien, habe dies ein anderes Gewicht als irgendwelche Informationen von V-Leuten. Ein Abschalten aller V-Leute lehnte Herrmann erneut ab.

Einige Länder sind aber in der Frage eines neuen Verfahrens noch unentschlossen. So hieß es aus Niedersachsen, Innenminister Uwe Schünemann (CDU) habe sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Auch die Innenminister Baden-Württembergs, Schleswig-Holsteins, Berlins oder Brandenburgs plädierten für Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Kürzlich hatte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen um zu klären, ob ein neuer Verbotsantrag Erfolg hat. Aus mehreren Ländern hieß es am Freitag, vor einer Entscheidung müssten die Ergebnisse der AG abgewartet werden.

Das Bundeskriminalamt hat nach dem öffentlichen Fahndungsaufruf etwa 60 neue Hinweise zur Zwickauer Zelle erhalten. Die Ermittler hoffen auf Hinweise darauf, wo sich Mitglieder der Gruppe in den vergangenen Jahren gesehen worden sein könnten.