SPD Sigmar Gabriel - eine Ministerbilanz
Berlin. Eigentlich war es ein Routine-Termin. Wie immer zu Jahresbeginn stellt die Bundesregierung ihren Jahreswirtschaftsbericht der Öffentlichkeit vor, die Prognose für das angelaufene Jahr.
Seit 2014 erledigt Sigmar Gabriel diese Aufgabe. Auch am Mittwoch ging der Wirtschaftsminister und Vizekanzler von der SPD wieder vor die Bundespresskonferenz, um das Zahlenwerk zu erläutern. Und das kann sich zweifellos sehen lassen: 1,4 Prozent Wachstum werden erwartet, ein neuer Rekord bei der Anzahl der Erwerbstätigen (43,8 Millionen) und der niedrigste Stand bei der Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung (6,0 Prozent). Ähnlich gut lief es auch schon 2016.
Doch alle Daten gerieten am Mittwoch zur Nebensache. Schließlich handelte sich um Gabriels Abschiedsvorstellung als Chef des Wirtschaftsressorts, nachdem der 57-Jährige am Dienstag angekündigt hatte, mit der Absage an die Kanzlerkandidatur auch gleich den Wechsel ins Außenministerium zu verbinden. Nach der letzten Bundestagswahl war Gabriel das Amt des Wirtschaftsministers noch enorm wichtig gewesen. Erweitert um sämtliche Zuständigkeiten bei der Energiepolitik sollte sein neuer Arbeitsmittelpunkt, ein repräsentatives Gebäude an der Scharnhorststraße in Berlin- Mitte auch für einen Imagewandel der eigenen Partei, hin zu mehr Wirtschaftskompetenz stehen.
Das ist jedoch kaum geglückt, wie die mäßigen Umfragen für die SPD zeigen. Im Gegensatz zum aktuellen Jahreswirtschaftsbericht fällt Gabriels Ministerbilanz eher durchwachsen aus. Die Energiepolitik hatte erst jüngst der Bundesrechnungshof ins Visier genommen. Dem Wirtschaftsministerium warfen die Kontrolleure vor, "keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende" zu haben. Bemängelt wurden organisatorische Defizite und unzureichende Absprachen mit den Bundesländern. In der Union wertete man die Kritik als Ohrfeige für Gabriel. Auch die Rüstungsexportberichte waren fast regelmäßig ein Ärgernis. Gabriel war mit dem Versprechen angetreten, die Waffenausfuhren deutlich zu drosseln.
Doch häufig zeigte der Pfeil nach oben. Ursache waren zwar auch Exportbeschlüsse der Vorgängerregierung. Trotzdem blieb das Problem an Gabriel hängen. Er selbst mochte am Mittwoch lieber über seine Verdienste reden. Zum Beispiel über die Rettung von 15.000 Arbeitsplätzen bei Kaisers-Tengelmann oder das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada. "Wie wäre die Debatte wohl jetzt, wenn Ceta gescheitert wäre?", sinnierte Gabriel rhetorisch mit Blick auf den wirtschaftlichen Abschottungskurs des neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Tatsächlich hatte der SPD-Chef nicht die harte Auseinandersetzung mit den eigenen Genossen gescheut, um für Ceta grünes Licht zu bekommen. Auf der Habenseite verbuchte Gabriel darüber hinaus die Einführung des Mindestlohns und eine Stärkung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Federführend dafür zuständig war allerdings seine Kabinettskollegin Andrea Nahles (SPD). Mit welchen Gefühlen er aus dem Amt scheide, wurde Gabriel am Ende gefragt. Mit einem "ausgesprochen guten Gewissen", entgegnete er.
Nun werde seine Nachfolgerin Brigitte Zypries "für Kontinuität sorgen". Er wiederum wolle "solide" die Arbeit von Noch-Außenamtschef Frank-Walter Steinmeier fortsetzen, so Gabriel. Das klang schon ein bisschen wie Diplomaten-Sprech.