Partei So wollen die Grünen sich vor dem Untergang retten

Wofür stehen die Grünen eigentlich noch? Eine Antwort darauf suchen die beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, jetzt mit einem „Zehn-Punkte-Plan für grünes Regieren“ zu geben.

Foto: dpa

Berlin. Immer mehr Wähler hatten der Partei zuletzt die kalte Schulter gezeigt. Allein beim Urnengang in Nordrhein-Westfalen Mitte Mai verloren die Grünen 340.000 Stimmen — trotz höherer Wahlbeteiligung. Ein Schock für die Ökos. Und seitdem ist die Lage eher noch trostloser geworden. Der grüne Ober-Realo, Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann, attestierte dem linksgeprägten NRW-Landesverband unverblümt einen „idealistischen Überschuss“.

Vom Linken-Flügelmann Jürgen Trittin gab es ungebetene Ratschläge an die Parteifreunde in Schleswig-Holstein, künftig doch gefälligst weiter mit der SPD zu regieren. Und der dortige Umweltminister Robert Habeck, der bei der grünen Spitzenkandidatur nur knapp unterlegen war, beklagte lautstark „Fehler und Dussligkeiten“, die der Partei ein Umfragetief zwischen sechs und acht Prozent beschert hätten.

Damit soll nun Schluss sein. Mit ihrem am Mittwoch vorgestellten „Regierungsplan“, der den schon länger kursierenden Wahlprogrammentwurf von gut 100 Seiten praktisch auf nur noch vier eindampft, wollen Görings-Eckardt und Özdemir gewissermaßen drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wähler neu begeistern, innerparteiliche Störenfriede einhegen und sich der Rückendeckung durch die eigenen Reihen versichern. Denn manche Grüne zweifeln ja auch daran, ob die eigene Basis wirklich auf die richtigen Spitzenkandidaten gesetzt hat.

Beinah wichtiger noch als das Papier selbst ist deshalb wohl auch die Liste der „Erstunterzeichner“, die sich am Ende des Textes findet. Göring-Eckardt und Özdemir stehen da selbstredend ganz oben. Danach folgen aber schon Kretschmann und ein paar Namen weiter auch Habeck und Trittin. Für diese Demonstration der Einigkeit mussten die beiden Verfasser freilich ein paar inhaltliche Abstriche machen.

Zwar bleibt es bei den vertrauten grünen Positionen, und die Öko-Themen Klimaschutz, Elektro-Mobilität sowie nachhaltige Landwirtschaft bilden weiter den politischen Schwerpunkt. Aber auf allzu ehrgeizige Details wurde zum Teil verzichtet. So ist etwa im Programmentwurf nachzulesen, dass ab dem Jahr 2030 „nur noch abgasfreie Autos vom Band rollen“ sollen. Diesel- und Ottomotoren seien „überholt“.

Derlei Festlegungen hatte Kretschmann aber mit Blick auf seine baden-württembergische Auto-Industrie immer wieder kritisiert. In der Fassung der beiden Spitzenkandidaten heißt es deshalb nun deutlich wolkiger: „Wir beenden die Ära des fossilen Verbrennungsmotors mit klaren ökologischen Leitplanken“. An markanten Forderungen wie einer sofortigen Abschaltung der 20 schmutzigsten Kohle-Meiler und dem klaren Nein zu einer Obergrenze beim Asylrecht halten Göring-Eckardt und Özdemir in ihrem „Regierungsplan“ allerdings weiter fest.

Bleibt die Gretchentfrage, mit wem die Grünen ihre Vorhaben verwirklichen wollen. Auch da ist eine gewisse Flexibilität angesagt. „Wer mit uns koalieren will, der muss bereit sein, bei diesen Vorhaben entschieden mit voranzugehen“, meinte Göring-Eckardt. Damit hält man sich eine grüne Regierungsbeteiligung sowohl unter schwarzen als auch roten Vorzeichen offen. Ob das die Wähler goutieren oder womöglich als Beliebigkeit interpretieren, steht auf einem anderen Blatt.