Der Geist von Kreuth Spaltung der Union - das tote CSU-Gespenst

Wenn der CSU das Wasser bis zum Hals steht, droht sie der CDU mit dem „Geist von Kreuth“, der Spaltung der Union. Bedroht wäre jedoch nur die CSU.

Foto: dpa

München. Eigentlich müsste in Mauth (2300 Einwohner, Landkreis Freyung-Grafenau, Niederbayern) nach CSU-Vorstellung die Welt in Ordnung sein. Über viele Jahre war hier das ZDF-„Forsthaus Falkenau“ beheimatet. Im 2014 gewählten Gemeinderat von Bürgermeister Ernst Kandlbinder (CSU) sitzen zehn CSU-Mitglieder; vier weitere gehören SPD und Freien Wählern an.

Die Polizei hat hier nicht viel zu tun. Mal ein betrunkener Radfahrer, und der Postbotin haben sie neulich eine Beule ins Auto gefahren. Und dann hin und wieder diese Schmierereien. Ein Hakenkreuz am Gymnasium und die Parole „Ausländer töten“; auch das Sportheim hat es schon erwischt. Ausgerechnet hier im niederbayerischen Wald hat die AfD bei der Bundestagswahl 28,11 Prozent der Stimmen geholt. Die Liste der niederbayerischen Orte, wo die AfD mehr als 20 Prozent holte, ist lang.

Und irgendwie hat man das kommen sehen. Im vergangenen Jahr übte die örtliche Vorsitzende der Frauen-Union massive Kritik an der CSU-Landesspitze und Horst Seehofer, weil Angela Merkel nicht zum CSU-Parteitag eingeladen wurde. Die Vorsitzende sagte ihre eigene Teilnahme aus Protest ab. Die Niederbayern hielten auch keine Festumzüge ab, als Horst Seehofer im April erklärte, 2018 nun doch erneut als Ministerpräsident kandidieren und auch weiter CSU-Chef bleiben zu wollen.

Während deutschlandweit alle Wahlanalysen ergeben, dass die CDU vor allem dort die AfD stark machte, wo sie sich nicht klar zu Merkels Flüchtlingspolitik bekannte, flüchtete Wahlverlierer Seehofer sich gestern als erstes in die Forderung nach einem „klaren Kurs Mitte rechts für die Zukunft“ und anschließend in die Drohung, die Union mit der CDU zu verlassen. Es macht Seehofer offenbar auch nicht stutzig, dass außer ihm nur der bayerische AfD-Landeschef Petr Bystron verkündet, bayernweite Verluste der CSU seien die „Strafe für die Unterstützung der Merkel-Politik“.

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Um von eigener Verantwortung abzulenken, trat Horst Seehofer gestern die Flucht nach vorn an und drohte wieder einmal mit der Spaltung der Union und dem „Geist von Kreuth“: Im berühmten Wildbad beschloss die CSU im November 1976 nach der verlorenen Bundestagswahl, als eigenständige Fraktion ins Parlament einzuziehen. CDU-Chef Helmut Kohl drohte CSU-Chef Franz Josef Strauß mit einer Ausdehnung der CDU nach Bayern; Strauß blies den Plan ab.

Was Seehofer und seine Anhänger aber offenbar komplett vergessen haben, ist Strauß klare Lager-Strategie, mit der er in den 80er Jahren die rechtsradikalen „Republikaner“ abwehrte: Keine demokratisch legitimierte Partei rechts der Union — und damit klare Ausgrenzung aus dem eigenen Lager.

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Im CSU-eigenen „Bayernkurier“ behauptete Horst Seehofer gar, es habe keinen Anlass gegeben, dieses Wahlergebnis anzunehmen und wies Kritik an seiner „Schaukelpolitik“ gegenüber der Bundeskanzlerin zurück: „Das verstehe ich überhaupt nicht. Hätten wir neben der Auseinandersetzung mit den Konkurrenten auch noch eine Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU führen sollen?“ Fakt ist: Genau das hat Seehofer immer wieder getan.

Sein intimster Parteifeind, der bayerische Finanzminister Markus Söder, den Seehofer um offenbar jeden Preis als seinen Nachfolger verhindern will, nutzte die Plattform des Parteiblatts, um einen Eimer Schmerzen in die offene Wunde der Niederlage zu kippen: „Wir müssen jetzt sehr aufpassen, dass die AfD nicht das wird, was die Linkspartei für die SPD ist: eine dauerhafte strukturelle Veränderung der Parteienlandschaft“, so Söder. Das Wahlergebnis verändere Bayern und die CSU, erklärte Söder, denn: „Wir sind leider jetzt auch die kleinste Partei im Deutschen Bundestag.“

Während die überwiegend in Bayern verbreitete „Süddeutsche Zeitung“ zumindest im Kommentar „Seehofer vor dem Sturz“ sieht, sprang ihm der JU-Landesvorsitzende Hans Reichhart (35) bei und erklärte, „ohne eine Obergrenze, die auch Obergrenze heißt, brauchen wir nicht aus Berlin zurückzukehren“, notfalls müsse die Partei den Gang in die Opposition antreten, und wenn es noch schlimmer komme, „dann muss es eben Neuwahlen geben“. Jedenfalls: Die von Kanzlerin Angela Merkel vollzogene Positionierung der Union zur politischen Mitte sei gescheitert. Richtig ist das Gegenteil: Die Werte der Kanzlerin liegen vor der CDU.

Die AfD schnitt am schlechtesten ab, wo die CDU sich am klarsten zu Merkel bekannte (und gewann). Der frühere Münsteraner CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz hielt bei „Facebook“ fest: „Die Union verliert dort, wo sie sich am stärksten von Merkels Politik distanziert hat, am meisten: In Bayern und im Osten.“ In Münster kam die AfD dagegen nicht einmal auf fünf Prozent. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kommentierte bei Twitter: „Stolz auf unser Münsterland. Historisch immer schon immun gegen Rechts. #offenegesellschaft #christlichewerte“.