Nach der Zustimmung von CDU und CSU zum schwarz-roten Koalitionsvertrag richten sich die Augen auf die SPD: Bis heute Abend, 23.59 Uhr, können die rund 358.000 Parteimitglieder noch über das 144 Seiten starke Vertragswerk mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ abstimmen. Das Ergebnis soll am Mittwoch bekanntgegeben werden. Wenn alles glattläuft, wird CDU-Chef Friedrich Merz am 6. Mai zum Kanzler gewählt.
Bei der SPD-Mitgliederbefragung ist neben der Mehrheit der Stimmen die Beteiligung von 20 Prozent der Parteimitglieder notwendig. Dieses Quorum sei bereits erreicht, hieß es am Montag. Das sei jedoch „kein Grund, sich jetzt die nächsten Stunden zurückzulehnen, wenn man noch nicht abgestimmt hat“, sagte Generalsekretär Matthias Miersch. Die Partei-Jugend ist unzufrieden mit dem Koalitionsvertrag, trotzdem gilt eine mehrheitliche Zustimmung zum Vertrag und somit zur geplanten schwarz-roten Koalition als wahrscheinlich.
CDU und CSU stimmten bereits zu
Die CSU hat den Koalitionsvertrag bereits kurz nach der Einigung Mitte April per Vorstandsbeschluss angenommen. Am Montag stimmte auch die CDU auf einem kleinen Parteitag zu. CDU und CSU legten außerdem die Liste ihrer Kabinettsmitglieder vor. Im neuen Kabinett werden bei der Union erneut die Männer in der Überzahl sein. Die CDU schickt vier Männer und drei Frauen, die CSU zwei Männer und eine Frau. Noch deutlicher unterrepräsentiert sind Politikerinnen und Politiker aus Ostdeutschland.
Laumann kontert CDA-Kritik an Ministerriege
Der CDU-Bundesvize Karl-Josef Laumann wies die harsche Kritik aus dem Arbeitnehmerflügel der Partei an der Kabinettsliste von Merz zurück. „Ich bin damit zufrieden, weil er ein gutes Kabinett zusammengestellt hat“, sagte der NRW-Arbeitsminister der „Rheinischen Post“. Laumann stand bis vergangenes Jahr 19 Jahre lang an der Spitze der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Sein Nachfolger dort, Dennis Radtke, hatte die Auswahl der CDU-Ministerinnen und -Minister heftig kritisiert.
Radtke sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er „finde es befremdlich und falsch, dass kein Vertreter der christlich-sozialen Wurzel unserer Partei Teil des Kabinetts ist“. Laumann sagte, es sei zwar richtig, dass der Arbeitnehmerflügel der Partei nicht bedacht worden sei. „Aber ich glaube nicht, dass diejenigen, die jetzt im Kabinett sind, die Hörigen des Mittelstands sind.“ Überdies komme es vielmehr auf den Koalitionsvertrag an. Auch sei wichtig, dass die künftige Regierung ein „gutes, inneres Klima hat“.
„Gute Abbildung der Volkspartei“
Der designierte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) sagte der „Rheinischen Post“, gerade die Ostlandesverbände der Union seien mit einer Wirtschaftsministerin aus Brandenburg sowie mehreren Staatssekretären und einer Staatsministerin gut vertreten. Im ZDF-„heute journal“ sagte Frei, die geplante Ministerriege sei eine „gute Abbildung der Volkspartei“. „Und vor allen Dingen kommen sie aus ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergründen“, sagte Frei, der aus Baden-Württemberg kommt und bislang Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag ist.
Die SPD will am kommenden Montag - einen Tag vor der geplanten Ernennung von CDU-Chef Merz als Bundeskanzler - ihre sieben Ministerinnen und Minister bekanntgeben. Generalsekretär Miersch sagte, es gebe viele Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden müssten. Darunter sei etwa die Frage der Parität, der Ressortzuschnitte und fachlichen Eignung und der regional guten Verteilung künftiger Ministerinnen und Minister. Die SPD darf unter anderem die Spitze des Finanzministeriums besetzen.
Was wird aus SPD-Parteichefin Esken?
In der Partei heftig umstritten ist die künftige Rolle von Parteichefin Saskia Esken. Der Landesvorstand der baden-württembergischen SPD nominierte sie am Montagabend nicht mehr für den Bundesvorstand. Esken hatte nach Angaben der Landes-SPD keine Kandidatur vorgelegt. Landeschef Andreas Stoch sagte: „In Absprache mit Saskia Esken ist das keine Vorentscheidung für die Frage, ob sie wieder als Parteivorsitzende kandidiert oder nicht.“
Esken könnte auch ohne Nominierung durch ihren Heimatverband noch als Bundesvorsitzende vom Bundesvorstand nominiert werden oder auf einem Parteitag spontan kandidieren. Die Parteiführung wird im Juni neu gewählt. Der SPD-Generalsekretär in Baden-Württemberg, Sascha Binder, hatte kürzlich erklärt, Esken gehöre nicht zu den vier besten SPD-Frauen.
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