SPD-Spitzenkandidat Albig fordert Nord-CDU heraus
Kiel (dpa) - Die schleswig-holsteinische SPD zieht mit einem Angstgegner für Schwarz-Gelb in die vorgezogene Landtagswahl: mit dem Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig. Die Sozialdemokraten kürten den Shooting Star in einem Mitgliederentscheid mit 57 Prozent der gültigen Stimmen zum Spitzenkandidaten.
Sein Hauptkonkurrent, der Fraktions- und Landesvorsitzende Ralf Stegner, holte nur 32 Prozent. Dies ergab die Auszählung, deren Ergebnis die SPD am Samstagabend bekanntgab.
Entgegen vielen Erwartungen will der 47-jährige Albig gemeinsam mit dem 51-jährigen Stegner die Wahl ansteuern, die wahrscheinlich im nächsten Jahr stattfindet. Er unterstütze eine Wiederkandidatur Stegners für den SPD-Landesvorsitz beim Parteitag im April, erklärte Albig überraschend am Sonntagnachmittag nach einer Landesvorstandssitzung. Beide betonten, sie vertrauten einander. Die SPD müsse geschlossen in den Wahlkampf ziehen.
„Wir wollen, dass die SPD im nächsten Jahr an die Regierung kommt“, sagte Albig. Dies werde sie nur schaffen, wenn sie gemeinsam kämpfe und nicht „unsinnigen Grabenkämpfen“ hinterherlaufe. „Die Gemeinsamkeiten sind größer als die Unterschiede“, erklärte Stegner. „Die Gegner sind die Anderen.“ Er werde als Landes- und Fraktionsvorsitzender alles tun, damit der nächste Ministerpräsident Albig heiße.
Albig, einstiger Sprecher des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, ist für die im Norden gemeinsam regierenden CDU und FDP ein gefährlicherer Gegner als Stegner: Er kann auch im bürgerlichen Lager viele Stimmen holen. Dies hatte Albig schon beim Sieg in der Oberbürgermeisterwahl 2009 gegen CDU-Amtsinhaberin Angelika Volquartz bewiesen.
Albig will die SPD ausdrücklich in der politischen Mitte verorten. Außerdem verkörpert er mit seiner verbindlichen, offenen Art einen anderen Politikstil als der dem linken Parteiflügel zugerechnete konfrontative Stegner. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte vor dem SPD-Mitgliederentscheid erklärt: „Ich wünsche mir Stegner, mit Albig könnte die SPD ja gewinnen.“
Für die CDU soll der 40-jährige Landes- und Fraktionsvorsitzende Christian von Boetticher am 6. Mai zum Spitzenkandidaten gekürt werden. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, 63, hatte vor knapp einem halben Jahr seinen Verzicht auf eine weitere Amtsperiode verkündet. Das Landesverfassungsgericht hatte eine vorgezogene Wahl bis Herbst 2012 verlangt, nachdem es das Wahlgesetz als nicht verfassungsgemäß eingestuft hatte. Ein neues Gesetz soll im März beschlossen werden.
Bei dem SPD-Mitgliederentscheid stimmten 7394 Sozialdemokraten für Albig, nur 4154 für Stegner. Die Elmshorner Bürgermeisterin Brigitte Fronzek bekam 1174 Stimmen, der Kieler Gewerkschafter Mathias Stein erhielt 165.
Die fast 70-prozentige Beteiligung - mehr als 13 000 der 19 200 Sozialdemokraten im Norden gaben ihre Stimme ab - werteten alle Bewerber als Riesenerfolg. „Das ist heute ein großartiger Tag für die Sozialdemokratie“, sagte Albig. Selbst die Konkurrenz applaudierte: Die SPD habe einen Weg der Kandidatenaufstellung gefunden, der neidlos anerkannt werden müsse, sagte Ministerpräsident Carstensen.
CDU-Fraktionschef von Boetticher verlangte von Albig klare Aussagen zu dessen politischen Vorstellungen: „Seine ausweichenden Antworten und sein ständiges Abweichen von SPD-Positionen mögen im innerparteilichen Wettbewerb noch ohne Konsequenzen geblieben sein, wir werden ihm das nicht länger durchgehen lassen.“ Für die Grünen sagte Landeschefin Eka von Kalben, ihre Partei bleibe beim Kurs der Eigenständigkeit. „Auch wenn es sicher Gemeinsamkeiten in der programmatischen Ausrichtung gibt, sind wir Grünen nicht der Koalitionspartner der SPD im Wartestand.“
Offiziell gewählt wird der SPD-Spitzenkandidat voraussichtlich im Spätsommer. Dann treten die im Mitgliederentscheid Unterlegenen nicht mehr an. Stegner räumte angesichts seiner klaren Niederlage ein: „Das Ergebnis ist für mich selbst überraschend und enttäuschend.“