SPD will mit neuem Rentenkonzept Wähler zurückgewinnen
Berlin (dpa) - Nach fast einjähriger Debatte hat die SPD ein Rentenkonzept verabschiedet, das unter anderem eine Mindestrente von monatlich 850 Euro für langjährig Versicherte vorsieht. Ein kleiner Parteitag in Berlin billigte das Konzept am Samstag ohne Gegenstimme bei vier Enthaltungen.
Die SPD gehe damit politisch geschlossen in die Bundestagswahl, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. „Geschlossenheit ist das Wichtigste in Wahlkämpfen. Aber sie lässt sich nicht befehlen, sondern man muss sie sich erarbeiten.“ Der Hauptstreitpunkt, wie stark das Rentenniveau bis 2030 sinken darf, soll allerdings erst später entschieden werden.
„Die SPD hat mit dem heutigen Tage als einzige Partei in Deutschland ein schlüssiges Rentenkonzept“, sagte Gabriel. Er sieht im Einsatz für einen gesetzlichen Mindestlohn und eine bessere Bezahlung den Schlüssel, um zu niedrige Renten im Alter zu verhindern. Auch der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück betonte, es komme durch Mindestlöhne, gleiche Bezahlung von Leih- und Zeitarbeit und eine Einschränkung atypischer Beschäftigungsverhältnisse darauf an, die Erwerbsarmut zu bekämpfen, um so Altersarmut zu verhindern.
Beschlossen wurden neben der Mindestrente von 850 Euro für langjährige Einzahler, dass es eine abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren geben soll. Die Ost-Renten will die SPD bis 2020 stufenweise an das West-Niveau angleichen. Zudem soll die Rente mit 67 so lange ausgesetzt werden, bis die Hälfte der älteren Arbeitnehmer beschäftigt ist. Außerdem will die SPD die betriebliche Altersversorgung massiv ausbauen. Gabriel bezifferte die Mehrkosten für das Gesamtpaket ohne die Solidarrente auf etwa 16 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030.
Steinbrück warf Union und FDP vor, völlig überzogene Zahlen über die Kosten der SPD-Renten- und Steuerpläne zu verbreiten. „Da wird das steuer- und rentenpolitische Ungeheuer von Loch Ness von der Kette gelassen“, sagte Steinbrück. Gabriel betonte, die Kosten für die Mindestrente würden sicher hoch sein, aber unter der kolportierten Summe von zehn oder elf Milliarden Euro pro Jahr liegen. Steinbrück betonte mit Blick auf den Rentenbeschluss des kleinen Parteitags: „Es ist eine Freude, dass die SPD hier etwas sehr Gelungenes vorgelegt hat“.
Der FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb kritisierte: „Das gesamte Rentenkonzept führt zu Mehrausgaben, die sich allein für das Jahr 2030 auf 35 Milliarden Euro belaufen.“ Allerdings hat sich die SPD noch gar nicht festgelegt, wie ihre Rentenpolitik bis 2030 aussehen soll. Die Frage des künftigen Rentenniveaus wurde bis zum Jahr 2020 vertagt, weshalb Linke-Chef Bern Riexinger das am Samstag beschlossene Konzept eine Mogelpackung nannte. DGB-Chef Michael Sommer sagte, die SPD habe sich auf die Gewerkschaften zubewegt. Zugleich machte er deutlich: „Die Gewerkschaften wollen den Verzicht auf die Rente mit 67 und keine Absenkung des Rentenniveaus.“
An der Frage des künftigen Rentenniveaus hatte sich der parteiinterne Streit besonders entzündet. Beim Bundesparteitag im vergangenen Dezember war dazu eine Kommission eingesetzt worden. Die SPD-Linke kritisiert, dass das bisherige Rentenniveau von rund 50 Prozent des Nettolohns bis 2030 auf bis zu 43 Prozent sinken kann. Erst dann müsste der Staat eingreifen und weitere Abstriche verhindern. Doch ein Beibehalten des Niveaus von 50 Prozent würde mittelfristig einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr kosten.
Auch die Parteilinken äußerten sich nach Korrekturen am ursprünglichen Konzept Gabriels mit dem Ergebnis zufrieden. Die SPD-Linke hatte wie die Gewerkschaften eine Klarstellung verlangt, dass die SPD an einem Rentenniveau von etwa 50 Prozent festhalten will. Die Partei will sich nach dem Beschluss nun in Ruhe in den nächsten Jahren auf „geeignete Maßnahmen“ verständigen, falls es Abweichungen am geplanten Beitragssatz und am Rentenniveau gibt. Sollte dies der Fall sein, werden Korrekturen bis hin zu einer Änderung der Rentenformel nicht ausgeschlossen.
Die geltende Rechtslage erlaubt ein Absinken des Rentenniveaus auf 46 Prozent bis 2020 und auf 43 Prozent bis 2030. Der letzte Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung geht für 2020 von knapp 48 Prozent aus. Finanzieren will die SPD die Leistungen aus Steuermitteln oder durch eine stetige Anhebung der Beiträge bis auf die im Rentenrecht vorgesehene Obergrenze von 22 Prozent.