Studie: Atomausstieg kostet bis zu 44 Milliarden Euro
Berlin (dpa) - Ist der Atomausstieg finanziell abgesichert? Damit am Ende nicht der Steuerzahler im Falle der Pleite eines Energiekonzerns einspringen muss, fordert Greenpeace einen Fonds. Denn der Atomausstieg könnte die Energiekonzerne nach Ansicht von Experten bis zu 44 Milliarden Euro kosten.
Um gegen die mögliche Pleite eines Kernkraftwerks-Betreibers gewappnet zu sein, sollte ein öffentlich-rechtlicher Atom-Fonds eingerichtet werden, heißt es in einer Studie im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Das Bundesumweltministerium erklärte sich bereit, die Idee zu prüfen. Die Konzerne wiesen den Vorschlag dagegen zurück und versicherten, sie würden bei Rückbau und Endlagerung ihren Verpflichtungen nachkommen.
In der am Mittwoch veröffentlichten Studie vertreten die Experten des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) die Ansicht, die bisher bei Eon, RWE, Vattenfall und EnBW angehäuften Rücklagen - derzeit rund 30 Milliarden Euro - seien nicht insolvenzsicher. Für die Abwicklung der stillgelegten und der neun noch laufenden Kernkraftwerke sowie für die Entsorgung des Atommülls werden der Untersuchung zufolge mindestens 34 Milliarden Euro benötigt. Weitere zehn Milliarden Euro seien als Puffer notwendig, da solche Großprojekte immer teurer als geplant verlaufen würden.
Zudem ist noch unklar, was ein möglicher Neustart bei der Suche nach einem Endlager kosten könnte. Daher seien 44 Milliarden Euro als Vorsorge notwendig. Greenpeace und das FÖS fordern zur Absicherung von Risiken einen Fonds, in den langfristig vor allem Rückstellungen für die atomare Endlagerung fließen sollen. Rückstellungen, die bis 2040 vor allem für den AKW-Rückbau gebraucht werden, sollten bei den Energiekonzernen bleiben. Das bisherige Rückstellungssystem wurde als intransparent kritisiert. Auch die SPD hatte auf ihrem Parteitag im Dezember die Prüfung eines staatlich kontrollierten Fonds gefordert.
Das Bundesumweltministerium wies die Befürchtung zurück, dass der Steuerzahler für Rückbau und Entsorgung zahlen müssten, falls ein Betreiber zahlungsunfähig werde. Die Rückstellungen der Konzerne würden kontinuierlich überprüft und seien überdies gegen das Insolvenzrisiko abgesichert. Im übrigen seien auch staatlichen Fonds nicht ohne Risiko. „Gleichwohl ist das eine Überlegung, die man prüfen kann“, hieß es in einer Erklärung.
Die Unternehmensberatung Arthur D. Little war 2011 zu dem Schluss gekommen, dass Rückbau und Entsorgung mindestens 18 Milliarden Euro kosten könnte, also deutlich weniger als nach der neuen Studie. Hier waren aber Schätzungen für die Endlagerung nicht enthalten. Bei der FÖS-Studie werden für den Rückbau 19 Milliarden verschlagt plus 15 Milliarden für die Endlagerung und zehn Milliarden Risikovorsorge. Für die insgesamt 19 noch zurückzubauenden Anlagen werden somit pro Meiler etwa eine Milliarde Euro geschätzt.
Bei RWE und Eon wurde betont, der Vorschlag für einen Atom-Fonds entbehre jeder Grundlage, da das bisherige System gut funktioniere. Allein Eon habe Rückstellungen von 13,1 Milliarden Euro, sagte ein Sprecher. Die Rückstellungen würden jedes Jahr von Wirtschaftsprüfern unter die Lupe genommen. Es gebe keinen Fall, in dem Gelder nicht bedarfsgerecht für die Stilllegung eingesetzt worden seien.
Auch das Atomforum als Interessensvertretung der Branche wies Befürchtungen zurück, dass sich die Betreiber bei der Abwicklung von Kernkraftwerken aus der finanziellen Verantwortung stehlen könnten. „Die Kostenübernahme für den Rückbau und die Entsorgung aller Abfälle ist durch das Atomgesetz eindeutig und unmissverständlich geregelt“, betonte Präsident Ralf Güldner. Das Rückstellungssystem habe sich seit Jahrzehnten bewährt, sei durch Gerichte bestätigt und auch von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung gestützt worden.