Umgang mit der AfD Thierse: Bundestag sollte sich nicht auf AfD fixieren
Berlin (dpa) - Kurz vor der ersten Sitzung eines Bundestags mit Vertretern der AfD hat der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zu einem gelasseneren Umgang mit der Partei aufgerufen.
„Ich kann nur raten, dass der Bundestag sich nicht auf die AfD fixieren lässt und nicht über jedes Stöckchen springt, das sie hinhält, und sie nicht zum wichtigsten Gegenstand der medialen Aufmerksamkeit und der journalistischen Berichterstattung macht“, sagte der SPD-Politiker MDR-„Aktuell“.
Es müsse aber verhindert werden, dass der Bundestag ein Ort werde, an dem rassistische und ausländerfeindliche Äußerungen oder nationalistische Untertöne üblich seien. „Da hat der Bundestag, da haben alle Fraktionen eine große Aufgabe, genau das zu verhindern.“
Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki rief zu einem gelasseneren Umgang mit der AfD auf. „Wir sollten sie nicht wichtiger nehmen, als sie tatsächlich ist“, sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur. Grundsätzlich sollte man mit der AfD „vernünftig und fair umgehen“. Im Übrigen biete die Geschäftsordnung des Bundestages „hinreichend Möglichkeiten, mit jeder Form von Provokation durch die AfD fertig zu werden“, sagte Kubicki weiter und fügte hinzu: „Gehen Sie davon aus, dass ich als Anwalt mit mehr als 27 Jahren Parlamentserfahrung in der Lage bin, diese Möglichkeiten auch zu nutzen.“
Nach den Worten der früheren Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, ist der Einzug der AfD in den Bundestag ein „verheerender Einschnitt in der Geschichte des Parlaments“. Der „Norwest-Zeitung“ sagte die Beauftrage für Holocaust-Gedenken des World Jewish Congress: „Ich sorge mich um unsere Demokratie und unser Land.“
Es sei zu befürchten, dass die Thesen und Tiraden der AfD die politische Debatte und Kultur verändern würden. „Das schadet dem Ansehen Deutschlands in der Welt.“ Die AfD schere mit gezielten Tabubrüchen und Provokationen bewusst aus dem gewachsenen demokratischen Konsens aus.
Die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry sieht unterdessen bei ihrer alten Partei einen Richtungswechsel zu einer „sozialpatriotischen Partei“. Unter dem Einfluss von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland würden „Kernfelder einer konservativen und wirtschaftsorientierten Politik, etwa die Ablehnung eines Mindestlohnes, aufgegeben“, sagte die fraktionslose Bundestagsabgeordnete der „Freien Presse“.
Petry hatte die Partei nach der Bundestagswahl verlassen. Sie begründete dies unter anderem mit einer „Radikalisierung“ der AfD. Petry hatte wiederholt selbst mit provokanten Thesen oder Begriffen für Aufsehen gesorgt, unter anderem mit einem Vorstoß für eine Rehabilitierung des Wortes „völkisch“.