Umfrage: Große Mehrheit für höhere Steuern bei Gutverdienern
Berlin (dpa) - Eine breite Mehrheit der Bundesbürger befürwortet Steuererhöhungen bei Gutverdienern zur Finanzierung zusätzlicher Bildungs- und Sozialausgaben. Selbst bei den Anhängern der Union teilen 66 Prozent und damit fast zwei Drittel diese Auffassung.
Unter allen Befragten waren es 77 Prozent.
Dies ergab eine repräsentative Erhebung von TNS Infratest, die der Paritätische Wohlfahrtsverband am Donnerstag in Berlin vorstellte. Dabei wurden aber keine Details wie Einkommensgrenzen für die Höherbelastung genannt. Eine von der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Auftrag gegebene Umfrage kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis.
Laut Wohlfahrtsverband sehen immerhin 73 Prozent der Bürger den sozialen Frieden durch die Kluft zwischen Arm und Reich gefährdet. Die Vermögensverteilung in Deutschland halten 78 Prozent der Befragten für „ungerecht“ angesichts der Feststellung der Bundesregierung, dass die reichsten zehn Prozent der Privathaushalte über 53 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland auf sich vereinen. Selbst 72 Prozent der Unions-Wähler sehen das so. Im Lager der Linken sind es 100 Prozent, bei der SPD 81 und bei den Grünen 89 Prozent.
Für den Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, belegen die Ergebnisse den über alle Parteigrenzen hinweg vorhandenen Wunsch nach Umverteilung. Davor könne keine Partei die Augen verschließen, auch CDU und CSU nicht. Schneider sieht „eine geradezu überwältigende Zustimmung für einen Richtungswechsel in der Steuer- und Ausgabenpolitik“.
In der von der INSM in Auftrag gegebenen Umfrage lehnten allerdings fast zwei von drei Bundesbürgern die von den Grünen geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes ab. 63 Prozent seien dagegen, 32 Prozent eher dafür, den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent ab einem Jahreseinkommen von 60 000 Euro und auf 49 Prozent ab 80 000 Euro anzuheben.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erneuerte seine Kritik an den Steuerplänen der Grünen als „Jobkiller“. „Der Zusammenhang zwischen Steuern, Investitionen und Beschäftigung ist in der Fachwelt theoretisch und empirisch belegt“, heißt es in einem Schreiben von DIHK-Chef Eric Schweitzer an den Spitzenkandidaten der Grünen, Jürgen Trittin, aus dem „Süddeutsche Zeitung“ und „Rheinische Post“ (Donnerstag) zitieren. Dieser hatte Schweitzer vorgeworfen, seine Kritik, die Pläne der Grünen vernichteten Hunderttausende von Arbeitsplätzen, sei statistisch nicht haltbar.
Laut der Erhebung für den Paritätischen Wohlfahrtsverband halten 78 Prozent den Bildungsbereich und 57 Prozent den Sozialbereich für unterfinanziert. Folglich befürworten mehr als die Hälfte der Befragten mehr Investitionen in den Sozialbereich und mehr als drei Viertel in Bildung.
Den daraus resultierenden Mehrbedarf bezifferte Schneider auf etwa 20 Milliarden Euro jährlich. Für die notwendige Mehrbelastung von Vermögenden und Besserverdienern nannte der Paritätische Gesamtverband aber keine Details wie Einkommensgrenzen und Spitzensteuersatz. „Entscheidend ist, dass die Richtung stimmt“, sagte Schneider. Die Wahlprogramme von SPD, Linken und Grünen mt entsprechenden, jedoch voneinander abweichenden Forderungen begrüßte er daher grundsätzlich.