Politik Union und SPD formulieren Forderungen für eine neue „Groko“
Berlin. Ja, er wolle die Große Koalition, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt treuherzig und mahnte die SPD, jetzt „kein Übermaß an roten Linien“ aufzubauen. Nur um anschließend selbst gleich eine Handvoll von Bedingungen zu nennen.
So war es am Montag überall bei den beteiligten drei Parteien. Die drei Vorsitzenden plus die Fraktionschefs wollen sich am Mittwochabend zum ersten Mal zusammensetzen und erörtern, ob eine neue große Koalition denkbar ist.
Zu den SPD-Positionen, die Dobrindt schon vorab ablehnte, gehörten die Bürgerversicherung („aus der sozialdemokratischen Mottenkiste“) und etliche Vorschläge von SPD-Chef Martin Schulz zur Europapolitik. Darunter die „Vereinigten Staaten von Europa“, die Dobrint erneut als „Europaradikalismus“ bezeichnete. Im gleichen Atemzug erklärte der CSU-Politiker die Flüchtlingsobergrenze und den Stopp des Familiennachzugs quasi für sakrosankt. Seine Sicht der Ausgangslage: „Der Wille bei uns ist groß, bei der SPD kann man da etwas Zweifel haben“.
Auf der anderen Seite sah man das genau andersherum. „Der Ball liegt jetzt erst mal bei Frau Merkel“, sagte der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Wenn sie nicht bereit ist, Milliarden in Bildung zu investieren und den Gesundheits- und Pflegebereich neu aufzustellen, dann wird die SPD auch irgendwann sagen, wir können diese Gespräche nicht weiter führen.“ Eine Konsequenz könnten dann Neuwahlen sein. Die forschen Töne riefen CDU-Vize Julia Klöckner auf den Plan. „Alte Ladenhüter“ könne die SPD nach ihrem schwachen Bundestagswahlergebnis „sicher nicht an den Mann bringen“, sagte sie und fügte hinzu: „Wir werden nicht den Preis für die innere Unruhe in der SPD zahlen.“
Keine besonders gute Stimmung also vor dem Spitzengespräch, von dem zunächst noch unklar war, wo es stattfinden wird. Jedenfalls nicht wieder in der Parlamentarischen Gesellschaft, in der die Jamaika-Gespräche stattgefunden hatten. Man fürchtet wohl das schlechte Karma des Ortes.
Obwohl Angela Merkel anmerkte, dass die Jamaika-Gespräche von zu viel „öffentlicher Kommunikation“ begleitet gewesen seien, verzichtete auch sie am Montag nicht auf ein paar Ansagen. So nannte sie das mit der CSU vereinbarte „Regelwerk“ zur Flüchtlingsfrage „eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Gespräche“. Und lehnte ebenfalls eine Bürgerversicherung ab. Allerdings könne es „Gespräche über die strukturellen Defizite im Gesundheitssystem“ geben.
Wegen der sich früh andeutenden Schwierigkeiten einer neuen „Groko“ flammte am Montag auch die Debatte über Alternativen wieder auf. Aus der CDU hatte Parteivize Jens Spahn am Wochenende eine Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. Deutlich wie selten lehnte Merkel das ab. Deutschland brauche eine stabile Regierung, sagte sie. Und eine Minderheitsregierung sei „in jedem Fall keine stabile Regierung“. Dies habe der Vorstand einhellig so gesehen, betonte die CDU-Chefin.
Dobrindt sprach ähnlich wie Klingbeil für den Fall des Scheiterns schon über Neuwahlen. Noch vor der Sommerpause könnten diese eventuell stattfinden, spekulierte er. Derzeit sieht der Zeitplan nur ein weiteres Gespräch der Spitzenrunde bis Weihnachten vor, ehe dann vermutlich am 6. Januar in einem größeren Kreis ernsthaftere Sondierungsgespräche stattfinden können, die wohl den ganzen Monat dauern. Anschließend muss bei der SPD ein Sonderparteitag entscheiden, ob das in förmliche Koalitionsverhandlungen mündet. Das forderte für die Union auch deren thüringischer Landeschef Mike Mohring. Sein Argument: "Wir brauchen Augenhöhe auf dem Weg zur Groko".