Nachfolger von Brinkhaus Veränderungen und Aufbruch, aber keine Revolutionen in der Unionsfraktion
Berlin · Unionsfraktion im Bundestag wählt in einer Kampfabstimmung Andreas Jung zu Ralph Brinkhaus’ Nachfolger.
. Eine gewisse Erleichterung war am Dienstag in Berlin bei CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unüberhörbar. „Die CDU wählt ihren Teil der Fraktionsführung. Wir den unseren. Punkt.“ Also mussten die 46 CSU-Abgeordneten nicht darüber abstimmen, wer aus den Reihen der Schwester den neuen Fraktionschef Ralph Brinkhaus als Finanz- und Haushaltsexperte beerben würde. Und das im Range eines starken Fraktionsvizes. Ein Votum, das erneut als eines für oder gegen Angela Merkel gedeutet wurde.
Wie schon die Abwahl von Volker Kauder vor zwei Wochen, dem langjährigen Fraktionschef, für den sich Merkel im Vorfeld eingesetzt hatte. Dobrindt übrigens auch. Aber überraschend siegte damals Herausforderer Brinkhaus, was auch eine Niederlage für die Kanzlerin war. Nach seinem Triumph setzte Brinkhaus auf personelle Kontinuität an der Fraktionsspitze. Er wolle Veränderungen und Aufbruch, aber keine Revolution, ließ er wissen. Deswegen wurden gestern alle vier Parlamentsgeschäftsführer wiedergewählt.
Darunter auch der glühende Kauder-Anhänger Michael Grosse-Brömer (CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer. Bei ihm laufen die Fäden für die Arbeit im Bundestag zusammen. Effizienter wolle man künftig agieren, so Grosse-Brömer. Zur Freude der Abgeordneten wird nun schon einen Tag früher die Tagesordnung der Fraktionssitzung verschickt. Bahnbrechend ist das allerdings nicht. Ketzerische Fragen danach, wie man mit demselben Personal für frischen Wind sorgen wolle, wurden gestern in der Unionsführung weggewischt.
Während neun der insgesamt zehn (!) Stellvertreter Brinkhaus` mit speziellem Aufgabenbereich ohne viel Aufheben gewählt wurden, entbrannte sich im Vorfeld der Wahl des Fraktionsvizes für Haushalt- und Finanzpolitik ein kurioser Machtkampf, der wie eine erneute Abstimmung pro oder contra Merkel daher kam. Nach dem Ausscheiden des Baden-Württembergers Kauder und wegen des Länderproporzes sollte den Posten einer aus der einflussreichen „BaWü“-Landesgruppe bekommen.
So weit, so gut, ein solches Vorgehen hat Tradition in der Union. Am Montagabend votierten fast alle Abgeordneten aus dem Ländle für Andreas Jung (43) aus Freiburg, der auch Landesgruppenchef ist. Er gilt als moderater, freundlicher Vermittler, als Merkel-Anhänger. Freilich hat er sich bisher vor allem um die Umweltpolitik gekümmert hat.
Wie Kai sprang dann aber noch ein anderer aus der Kiste: Olav Gutting (47) aus Bruchsal. In der Landesgruppe stellte er sich nicht gegen Jung. Wohl aber in der Fraktion. Ein starkes Stück. Gutting gilt in Euro- und Flüchtlingsfragen eher als kritisch gegenüber Merkel, sein Frust-Tweet nach der Ressortverteilung am Ende der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen: „Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt!“, sorgte letztes Jahr für Aufsehen. Außerdem ist er Mitglied des Finanzausschusses und ein Liebling des einflussreichen Wirtschaftsflügels. „Gucken wir mal“, meinte er vor der Abstimmung grinsend. Danach war die gute Laune doch dahin.
Denn das Ergebnis der Kampfkandidatur war eindeutig: Gutting erhielt nur 41 Stimmen, Jung hingegen 135.
Merkel ist damit zwar einer erneuten Niederlage entgangen. Doch Beobachter werten den Vorgang alles in allem als Zeichen von Instabilität in der Fraktion. Und die baden-württembergische Landesgruppe steckt nach der Abwahl Kauders nun ohne Zweifel in einer weiteren, tiefen Krise.