Urteil: Junger Muslim darf nicht in Schule beten
Leipzig/Berlin (dpa) - Ein junger Muslim aus Berlin darf an seiner Schule nicht demonstrativ gen Mekka beten. Nach einem mehrjährigen Streit wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch die Klage des 18-Jährigen zurück.
Der Gymnasiast müsse die Einschränkung seiner Glaubensfreiheit hinnehmen, weil durch die öffentlichen Ritualgebete der Schulfrieden gestört werde, urteilte der 6. Senat. Allerdings ist es eine Einzelfallentscheidung.
Das Urteil dürfe „nicht in dem Sinne verallgemeinert werden, dass die generelle Ausübung eines rituellen Mittagsgebetes eines Schülers muslimischen Glaubens nicht zulässig ist“, betonte der Vorsitzende Richter Werner Neumann. „Die Schule ist kein religionsfreier Raum.“ Jeder Schüler habe das Recht auf Glaubensfreiheit. Damit sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass an anderen Schulen öffentlich gebetet werden dürfe. Es komme auf die Umstände an.
Das Gericht berücksichtigte jedoch die besondere Situation am Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding. Die Schüler dort gehören fünf Weltreligionen an. Dies hatte in der Vergangenheit zu Konflikten geführt. An der Schule mit Jungen und Mädchen knapp 30 verschiedener Nationalitäten nutzten acht muslimische Schüler die Pause, um auf dem Schulflur gen Mekka zu beten - vor den Augen staunender Mitschüler. Die Schulleitung untersagte die Gebete.
Richter Neumann gab den generellen Hinweis: „Die Schule muss sehen, ob es wirklich zur Wahrung des Schulfriedens nötig ist, die Glaubensfreiheit einzuschränken.“ Zunächst müsse versucht werden, Konflikte durch erzieherische Maßnahmen zu lösen. Auch könne eine Schule durchaus prüfen, ob sie für ein Gebet nicht einen separaten Raum zur Verfügung stellen könne. Das alles klappte am Diesterweg-Gymnasium nicht, wie bereits das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg festgestellt hatte. In erster Instanz hatte der Schüler noch Recht bekommen.
Der 18-Jährige war selbst zur Verhandlung nach Leipzig gekommen. „Es ist nur ein fünfminütiges Gebet“, erklärte er. „Wenn ich es verrichte, sieht mich ja keiner. Deswegen glaube ich nicht, dass es zu Konflikten kommt.“ Nach seiner Niederlage stünde ihm jetzt theoretisch noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen. Anwalt Bülent Yasar äußerte sich zu dieser Frage aber zurückhaltend: „Die Chancen für eine Verfassungsbeschwerde werden eher niedrig sein, von daher muss man sich das zweimal überlegen.“
Anwältin Margarete Mühl-Jäckel, die den Berliner Senat vertrat, sagte in der Verhandlung, eine staatliche Schule habe eine Integrationsaufgabe. An der Schule habe es zahlreiche Konfliktherde gegeben, bis hin zu Beleidigungen und Mobbing. Um diese zu befrieden, sei „eine striktere Distanzierung zur Religion“ nötig. Ganz soweit gingen die Leipziger Richter aber nicht. Das deutsche Grundgesetz habe „eine durchaus religionsfreundliche Haltung“, betonten sie.