Die BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht zieht wegen des knapp verpassten Einzugs in den Bundestag nach Karlsruhe, um eine neue Auszählung der Wählerstimmen zu erreichen. Der Antrag sei am Dienstag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden, sagte eine BSW-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur, nachdem zuerst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet hatte.
Das Verfassungsgericht bestätigte der dpa den Eingang einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Antragsteller seien Einzelpersonen, nicht das Bündnis Sahra Wagenknecht als Ganzes. Geklagt haben nach Angaben der Parteisprecherin die BSW-Vorsitzenden Wagenknecht und Amira Mohamed Ali sowie zwei Mitglieder und zwei Wähler der Partei. Das BSW plant nach eigenen Angaben weitere Klagen im Laufe der Woche.
Die Wagenknecht-Partei hatte nach dem vorläufigen Endergebnis bei der Bundestagswahl am 23. Februar bundesweit rund 4,972 Prozent der Zweitstimmen erhalten und war damit knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Nach Angaben der Partei fehlten etwa 13.400 Stimmen. Seither ergaben einzelne Nachzählungen an mehreren Orten, dass offenbar einige Stimmen falsch zugeordnet wurden. Große Verschiebungen der Stimmverhältnisse wurden aber nicht bekannt.
„Respekt vor den Wählern“
Parteigründerin Sahra Wagenknecht sprach in der „FAZ“ von „einigen Tausend BSW-Stimmen“, die offenbar fälschlicherweise anderen Parteien zugeordnet oder als ungültig bewertet worden seien. „Der Respekt vor den Wählern gebietet es, mögliche Fehler genau zu prüfen und zu korrigieren“, sagte die BSW-Chefin. Das funktioniere nur, „wenn vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses eine bundesweite Neuauszählung erfolgt“.
Für die erst Anfang 2024 gegründete Partei ist der Einzug in den Bundestag politisch von höchster Bedeutung. Doch auch die Mehrheitsverhältnisse im Parlament könnten betroffen sein: Sollte das BSW Erfolg haben und doch noch in den Bundestag kommen, hätte eine Zweier-Koalition von Union und SPD womöglich keine Mehrheit mehr.
Erkenntnisse bei Neuauszählung in Berlin
Wagenknecht sagte, eine Partei dürfe nur dann an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wenn ausgeschlossen werden könne, dass sie von fünf Prozent der Wähler gewählt worden sei. Schon jetzt hätten „relativ viele Fehler“ aufgrund von Hinweisen der Partei korrigiert werden müssen, sagte Wagenknecht.
Das BSW bezieht sich auf eine Neuauszählung in zwölf Berliner Wahllokalen, bei der zwei zusätzliche BSW-Stimmen gefunden worden seien. „Hochgerechnet auf alle Wahllokale wäre das BSW bei einer solchen Abweichung im Bundestag“, sagte Wagenknecht. Ihre Sprecherin ergänzte, nach Berechnungen der Partei gebe es „eine realistische Chance, dass wir bei einer bundesweiten Neuauszählung die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten“.
Endergebnis am Freitag
Das amtliche Endergebnis soll bereits am kommenden Freitag vom Bundeswahlausschuss festgestellt werden. Danach könnte dagegen Einspruch erhoben und nötigenfalls geklagt werden.
Der Staatsrechtler Christoph Degenhart, einer der Rechtsvertreter des BSW, erklärte jedoch: „Der äußerst knappe Wahlausgang zu Lasten des BSW macht eine umfassende Überprüfung des Wahlvorgangs noch vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses erforderlich. Andernfalls drohen Rechtsverluste, eine Schwächung demokratischer Legitimation und die Missachtung des Wählerwillens.“
Der Verfassungsrechtler Uwe Lipinski, ebenfalls für das BSW aktiv, ergänzte: „Würde kein Eilrechtsschutz gewährt werden, wäre eine Korrektur des Wahlergebnisses mitten in der neuen Wahlperiode höchst wahrscheinlich, spätestens dann im Rahmen einer Wahlprüfungs-Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.“
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