Hintergrund Warum Frauke Petry dem Machtkampf in der AfD ausweicht

Berlin. Frauke Petrys scheinbar überraschender Verzicht auf die Spitzenkandidatur der AfD erinnert an die Parabel vom Fuchs und den Trauben: Weil sie zu hoch hängen, sagt er, sie schmeckten ihm nicht.

AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry beim Wahlkampauftakt ihrer Partei.

Foto: Daniel Reinhardt

Die 41-Jährige wäre so oder so beim Parteitag am kommenden Wochenende in Köln wahrscheinlich nicht Spitzenkandidatin geworden. Sowohl bei einer Online-Befragung der Mitglieder Anfang des Jahres als auch bei einer Meinungsbildung im Parteivorstand hatte sich bereits eine klare Mehrheit gegen einen einzelnen Spitzenkandidaten ausgesprochen. Doch das war es nicht allein.

Weil die ehrgeizige AfD-Chefin ihre Ansprüche zunächst trotzdem aufrechterhielt, formierten sich ihre innerparteilichen Konkurrenten. Nach „Spiegel“-Informationen versuchten sie letzte Woche bei einem Geheimtreffen in Goslar ein „Spitzenteam“ gegen Petry ins Rennen zu schicken, bestehend aus Petrys härtestem Gegenspieler, dem Parteirechten Alexander Gauland, und der eher liberalen Alice Weidel aus Baden-Württemberg.

Der AfD stand in Köln eine Kampfabstimmung bevor. Schon war von drohender Spaltung die Rede. Und das vor der Kulisse von erwartet 50.000 Gegendemonstranten draußen. Befeuert wurde das noch durch Petrys Vorgehen auch in anderen Fragen. So legte sie den 600 Delegierten einen Grundsatzantrag vor, wonach die AfD sich nicht prinzipiell als Opposition verstehen, sondern „realpolitisch“ agieren solle. Ziel: Die Regierungsbeteiligung spätestens in vier Jahren. In dem Papier wird Gauland namentlich angegriffen, was selbst etliche Petry-Sympathisanten kritisierten. Gauland sprach von einem konstruierten Gegensatz. Überdies forderte Petry in einem weiteren Antrag, sich klar von „rassistischen, antisemitischen, völkischen und nationalistischen Ideologien“ zu trennen. Das zielte eindeutig gegen den Thüringer Landeschef Björn Höcke, der das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hatte.

Gegen ihn läuft ein vor allem von Petry betriebenes Ausschlussverfahren, jedoch wird er von Gauland und anderen Parteirechten unterstützt. An der Basis gibt es die große Sorge, dass eine Entscheidungsschlacht in Köln die Wahlaussichten im Herbst zunichtemachen könnte. Zwar haben sich die Umfragewerte in der letzten Woche wieder leicht verbessert. Doch gab es davor eine kräftige Delle nach unten, die manchem die Angst in die Glieder fahren ließ. In dem Scharmützel hielten sich etliche „neutrale“ Landeschefs wie der Berliner Georg Pazderski, der Rheinland-Pfälzer Uwe Junge und der Mecklenburger Leif-Erik Holm auffallend zurück. Sie wollen vor allem, dass in Köln möglichst geschlossen das AfD-Wahlprogramm verabschiedet wird — und sonst nichts.

Und in den Wahlkampf könnte der gesamte Bundesvorstand die Partei führen, da bräuchte man keinen Spitzenkandidaten, heißt es. Dem Gremium gehören Gauland wie Petry an, keiner hätte dann gewonnen. Die Dynamik des Kölner Treffens ist schwer einzuschätzen, da es diesmal kein Parteitag aller Mitglieder, sondern von 600 zuvor in den Landesverbänden gewählten Delegierten ist. Doch gibt es etliche unter ihnen, die früher in anderen Parteien aktiv waren und sich mit Geschäftsordnungstricks auskennen.

Möglich, dass es die heftigsten Debatten darüber geben wird, worüber man abstimmen soll und worüber nicht. Petry ist zwar in der engeren Führung ziemlich isoliert, nicht aber im Kreis der anderen Landeschefs. Auch kommt sie in den Parteigliederungen als gefragte Rednerin viel herum. Ihr ist die besorgte Stimmung an der Basis nicht verborgen geblieben. Eine Kampfabstimmung hätte die AfD-Chefin nicht gewonnen. Diese Niederlage vermeidet sie nun. Das, was sie eigentlich will, ist immer noch drin: Der Fraktionsvorsitz in der künftigen AfD-Bundestagsfraktion.