Wer darf, wer soll nach Deutschland? Einwanderung und der Wahlkampf

Als Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, war die große Frage: Wer darf bleiben? Im Wahlkampf geht es nun auch darum, wen sich die Deutschen gezielt ins Land holen wollen. Die Parteien haben da ganz unterschiedliche Vorstellungen.

Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt stellte ihren Entwurf zum Einwanderungsgesetz in Berlin vor.

Foto: Maurizio Gambarini

Berlin. Immerhin darin sind sich die meisten Parteien und Experten einig: Deutschland braucht Einwanderer, weil die Bevölkerung altert und in einigen Berufen der Nachwuchs fehlt. Und um diesen Zuzug vernünftig zu regeln, braucht es eine Art Einwanderungsgesetz. Aber wer entscheidet, wer kommen darf? Und nach welchen Kriterien?

Am Dienstag haben die Grünen ihre Idee dazu präsentiert, die Deutschland schon lange ein Einwanderungsland nennen. Auch andere Parteien haben schon Konzepte oder wenigstens Leitlinien. Manche passen zusammen, andere gar nicht - bis zur Bundestagswahl im September dürfte über Zuwanderung also munter gestritten werden.

Das Thema ist politisch heikel und wird oft mit Flüchtlings- und Asylpolitik vermischt. Dann lautet der Tenor: Es sind doch schon so viele Menschen nach Deutschland gekommen in letzter Zeit. Aber beim Einwanderungsgesetz geht es eben nicht um Schutzsuchende, sondern um Menschen aus Nicht-EU-Staaten, die zum Arbeiten kommen.

„Gerade beruflich Qualifizierte fehlen häufig in den Unternehmen, daher sollte deren Zuwanderung erleichtert werden.“, sagt Achim Dercks, Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Innerhalb der EU gilt sowieso die Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Aber für Ausländer aus sogenannten Drittstaaten, die etwa als Pflegekräfte gebraucht werden, ist es viel komplizierter. Staaten wie Australien, die USA oder Kanada, die sich schon länger als „Einwanderungsländer“ verstehen, haben Anwerbe-Systeme. So sehen die Pläne der Parteien in Deutschland aus:

SPD: Herzstück des SPD-Konzepts ist ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Ausländische Bewerber bekommen Punkte nach Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Alter und Integrationschancen. Wer die Mindestpunktzahl erreicht, kommt auf eine Warteliste. Liegt ein Jobangebot vor, rutscht er im Ranking automatisch nach oben.

CDU: Die CDU will ein Einwanderungsgesetz, hat aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Flüchtlingsfragen standen zuletzt im Vordergrund.

Grüne: Die Grünen wollen ein Punktesystem wie die SPD, die Kriterien soll eine Kommission festlegen. Qualifizierte Ausländer sollen mit einer „Talentkarte“ auch ohne Job ein Jahr auf Probe kommen dürfen. Flüchtlinge sollen vom Asyl- ins Einwanderungsrecht wechseln können, wenn sie qualifiziert sind.

Linke: Die Linken wollen kein Einwanderungsgesetz, sie nennen es ein „Auslesesystem“ und „modernisierte Gastarbeiterpolitik“.

FDP: Die FDP will auch ein Punktesystem nach Bildungsgrad, Alter, Sprachkenntnissen und Qualifikation. Zudem schlagen sie wie die Grünen die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ für Asylbewerber vor, wenn sie dieselben Kriterien erfüllen wie Fachkräfte aus dem Ausland.

CSU: Deutschland brauche ein „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“, heißt es bei der CSU. Anzahl der Zuwanderer, Fachkräftebedarf, Qualifikation, Integrationsprognose sowie ein gesicherter Arbeitsplatz und Lebensunterhalt müssten klar gesetzlich geregelt sein.

AfD: Die AfD will „ausschließlich qualifizierten Zuzug nach Bedarf“ zulassen, ohne Details zu nennen. Vorrang sollen eine „aktivierende Familienpolitik“ und die Reduzierung der Abwanderung haben.

Nach der Bundestagswahl hätte es also wenigstens bei diesem Thema eine Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen eher einfach, Rot-Rot-Grün dagegen ziemlich schwer. Wie sich die CDU beim Thema Zuwanderung aufstellt, ist noch nicht klar - dass die Partei sich noch nicht festlegt, gibt ihr Spielraum, falls es zu Koalitionsverhandlungen mit den Grünen kommen sollte.

Die Grünen wollten ihr Konzept am Dienstag nicht als Fingerzeig in irgendeine Koalitions-Richtung verstanden wissen. Der DIHK ist vom Punktesystem nicht allzu begeistert - es könne „je nach Ausgestaltung“ am Ende sogar mehr Bürokratie für die Unternehmen bedeuten, mahnt Dercks.

Wie wichtig das Thema im Sommer wird, hängt wohl auch davon ab, ob die Zahl der Flüchtlinge wieder zunimmt - wenn das passiert, dürfte die gezielte Zuwanderung schnell in den Hintergrund rücken.