Wirtschaft wettert gegen zentrale Koalitionsprojekte
Berlin (dpa) - Kurz vor dem Spitzentreffen der Koalition macht die Wirtschaft Front gegen zentrale Vorhaben von Union und FDP. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lehnte die Forderung der Liberalen nach Abschaffung der Praxisgebühr ab.
Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger wandte sich gegen die Unionspläne für das Betreuungsgeld und die Großelternzeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zurückhaltend zu möglichen Ergebnissen der Koalitionsrunde am Sonntag.
„Wir werden die Entscheidungen so fällen, wie sie notwendig sind“, sagte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in Berlin. Es müsse auch angesichts der Steuereinnahmen geprüft werden, „inwieweit wir unsere Ziele auch möglichst schnell erreichen können“. Ein Ziel sei, die Vorgaben der Schuldenbremse schon 2013 einzuhalten. „Und alle anderen Details werden wir dann zu gegebener Zeit besprechen.“
Union und FDP wollen an diesem Sonntag im Koalitionsausschuss nach Auswegen aus ihrem monatelangen Streit über wichtige Vorhaben bis zur Wahl 2013 suchen. Der Bund muss laut Schuldenregel sein Strukturdefizit bis 2016 auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung senken. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rechnet nach der neuen Steuerschätzung damit, dass diese Vorgabe schon 2013 erreicht wird.
Der Finanzminister selbst wird im Koalitionsausschuss nicht dabei sein, weil er zu einem G20-Treffen nach Mexiko reist. Schäuble betonte, diese Entscheidung sei in Einvernehmen mit der Kanzlerin gefallen. Die anstehenden Beschlüsse seien intensiv besprochen und vorbereitet, im übrigen sei er auch in Mexiko jederzeit erreichbar.
Bei der Neuverschuldung haben sich Schäuble und FDP-Chef Philipp Rösler bereits vorab auf Ziele verständigt. Beide wollen nun bereits 2014 zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt kommen. Dabei werden Konjunktureinflüsse und Einmaleffekte wie Milliarden-Raten für den Euro-Rettungsschirm ESM herausgerechnet. Rösler hatte zuletzt noch verlangt, 2014 eine schwarze Null zu erreichen, also ganz ohne neue Schulden auszukommen.
Bei der auf zwei Stunden angesetzten Koalitionsrunde soll unter anderem über die Einführung des Betreuungsgeldes, die Abschaffung der Praxisgebühr, eine mögliche Senkung der Krankenkassenbeiträge und ein Rentenkonzept zum Kampf gegen Altersarmut entschieden werden.
Nicht nur in der Opposition, sondern auch in der Wirtschaft stoßen die Projekte auf große Skepsis. Arbeitgeberpräsident Hundt verlangte gegenüber „Welt online“, an der Praxisgebühr festzuhalten und stattdessen die Krankenkassenbeiträge zu senken. Er sehe keinen überzeugenden Grund, bei Arztbehandlungen auf jeden Eigenanteil zu verzichten.
Gesamtmetall-Präsident Dulger sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, sinnvoller als das Betreuungsgeld seien Investitionen in Kindertagesstätten, die berufstätigen Müttern ein flächendeckendes Angebot von 6.00 bis 20.00 Uhr böten. Auch die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplante Zuschussrente gegen Altersarmut sieht Dulger skeptisch. Stattdessen solle der Staat Anreize gebe, damit Beschäftigte private Vorsorge betreiben.