Bundespräsidentenwahl Wissenschaftler: Wahl Steinmeiers kein Signal für Wechsel der Regierung
Berlin. Frank-Walter Steinmeier wird weniger rhetorisch glänzen als Joachim Gauck, aber trotzdem ein würdige Nachfolger im Amt des Bundespräidenten sein. Das erwartet der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter.
Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte nach.
F: Herr Falter, ein neuer Bundespräsident kann auch für neue Regierungskonstellationen stehen. Wie ist das bei Frank-Walter Steinmeier?
A: Er steht für Vieles, aber sicher nicht für eine rot-rot-grüne Koalition. Dazu verbindet man mit Steinmeier zu sehr den Agenda-Kurs von Altkanzler Gerhard Schröder und den der großen Koalition. Ein echtes Signal für einen Regierungswechsel ist Steinmeier nicht. Höchstens für eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP. Aber die ist derzeit weit weg von einer Mehrheit.
F: Mit Walter Scheel von der FDP gab es bereits einen Bundespräsidenten, der praktisch bis zur Amtsübernahme Außenminister war. Bringt diese Erfahrung nur Vorteile für die künftige Aufgabe mit sich, oder kann das auch ein Problem sein?
A: Der Bundespräsident muss vor allem auf innenpolitischem Gebiet Wirkung entfalten. Sicher hat er Deutschland auch im Ausland zu repräsentieren. Aber das ist für die Bürger eher zweitrangig. Als ehemaliger Kanzleramtschef ist Steinmeier durchaus mit der Innenpolitik vertraut. Insofern sollte die neue politische Rolle kein Problem für ihn sein.
F: Steinmeier wirkt wenig volksnah. Ist das ein Makel?
A: Das ist gar nicht so entscheidend. Richard von Weizsäcker war als Bundespräsident ganz bestimmt nicht volksnah, aber trotzdem der vielleicht am allermeisten geachtete. Auch Karl Carstens oder Gustav Heinemann waren sicher nicht volksnah, sondern distinguierte, also vornehme Leute. Das hat ihnen nicht geschadet. Dagegen war zum Beispiel Horst Köhler sehr volksnah und ist gescheitert. Die Wirkung des Staatsoberhauptes entsteht durch das Wort und das Vorbild und nicht durch eine Art öffentliche Kumpelhaftigkeit.
F: War es richtig, in Zeiten, da die Politik als abgehoben kritisiert wird, einen Berufspolitiker zum Staatoberhaupt zu wählen?
A: Bei einem Berufspolitiker glaubt man zu wissen, woran man ist. Der kennt die Spielregeln. Da muss man keine Angst haben, dass er den durch die Verfassung und die Regierungsgewohnheiten gesetzten Spielraum überschreitet.
F: So denken aber nur die Parteien, die ihn als Kandidaten aufgestellt haben.
A: Sicher. Aber auch Grüne und Linke würden, so sie die Mehrheit hätten, keine Person aufstellen, die ihnen über den Kopf wachsen könnte, indem sie womöglich reihenweise Gesetze nicht unterschreibt.
F: Wie groß sind die Fußstapfen, die Amtsvorgänger Joachim Gauck hinterlässt?
A: Die sind relativ groß. Von Gauck ist zwar kein konkrete Rede haften geblieben wie etwa die Befreiungsrede von Weizäckers oder die Ruck-Rede von Roman Herzog. Aber er hat eine Fülle nachdenklicher, gut durchdachter und rhetorisch brillanter Reden gehalten, die ihm viel Achtung einbrachten. Und er hat sich als unabhängiger Geist erwiesen, der der Kanzlerin mit wohlgesetzten Formulierungen etwa in der Flüchtlingspolitik widersprach. Steinmeier ist rhetorisch sehr bedächtig, was aber nicht heißt, dass ihm die Fußstapfen Gaucks zu groß wären.
F: In seiner Antrittsrede als künftiges Staatsoberhaupt hat sich Steinmeier als Mutmacher empfohlen, um die Fundamente der Demokratie zu stärken. Was sagt uns das für seine Präsidentschaft?
A: Auch Roman Herzog ging es als Bundespräsident um Mut machen. Allerdings stärker auf Reformen bezogen. Steinmeier will dieses Motiv offenbar stärker auf politische Werte beziehen. Er kann das auch variieren. Ebenfalls auf Reformen münzen, aber auch auf rechtsextreme Bedrohungen oder die Politik von Donald Trump. Ich denke, da ist viel Stoff drin.