Interview Wolfgang Bosbach: „Koalition heißt Kompromiss“
Der frühere CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach über seine schwierige Abnabelung von der Politik und Ratschläge für Merkel und Schulz.
Berlin. Vor drei Monaten zog sich Wolfgang Bosbach aus der Politik zurück. Ruhiger lässt es der bekannte CDU-Politiker aber nicht gerade angehen. Im Gespräch mit unserer Redaktion plaudert Bosbach über sein Leben danach, über Talkshows und Kanzlerin.
Herr Bosbach, haben Sie schon Abstand vom Berliner Politbetrieb?
Wolfgang Bosbach: Sollte ich eigentlich drei Monate nach der Wahl längst haben, ist aber nicht so. Ich erwische mich immer noch dabei, dass ich bei der Morgenlektüre zuerst jede Zeile des Politikteils lese, bevor ich den Sport studiere. Manchmal überlege ich mir sogar, wann wohl die nächste Sitzungswoche in Berlin ist....
Heißt das, es juckt Sie zwischendurch doch, wieder mehr mitzumischen?
Wolfgang Bosbach: Sobald der Juckreiz einsetzt, reiße ich mich wieder zusammen. Es war ja meine ureigene Entscheidung nach 23 Jahren nicht erneut zu kandidieren und bis jetzt bereue ich sie nicht. Bis jetzt jedenfalls. Vielleicht kommt der Moment ja noch.
Wie sieht denn ihr Leben nach der Politik aus?
Wolfgang Bosbach: Ehrlich gesagt nicht viel anders als vorher auch. Ich bin nach wie vor pausenlos auf Achse, die Zahl der Einladungen ist unverändert hoch. Mit einer Ausnahme: Heute beginnen fast alle Zuschriften mit dem Satz „Jetzt, wo Sie mehr Zeit haben, könnten Sie doch mal...“. Die vielen Einladungen freuen und ehren mich, aber die Reiserei ist manchmal echt anstrengend. Vor allem weil man nie sicher sein kann: Ist die Bahn heute mal pünktlich? Fliegt der Flieger überhaupt?
Vermissen Sie etwas?
Wolfgang Bosbach: „Etwas“ ist gut... Meine tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro, viele Kolleginnen und Kollegen, die mir über die Jahre ans Herz gewachsen sind. Gelegentlich sogar die Grünen, mit denen zu diskutieren echt anstrengend, aber interessant war. Was ich nicht vermisse, sind die endlosen Debatten, ohne ein vernünftiges Ergebnis. Davon gab es viel zu viele.
Und was ist mit den Talkshow-Auftritten? Immerhin galten Sie als Talkshowkönig.
Wolfgang Bosbach: Eigentlich bin ich ja medienscheu, das weiß nur keiner (lacht). Einige Anfragen gab es, aber ich bin wirklich ständig unterwegs und zugesagt ist zugesagt, auch wenn Markus Lanz, Maybrit Illner und Co. rufen. Und mir war immer klar: die vielen Einladungen galten eher dem Amt als der Person.
Das glauben Sie doch selbst nicht. Sie sind schließlich immer noch einer der bekanntesten CDU-Politiker. Was können junge Talente von ihnen lernen?
Wolfgang Bosbach: Jeder muss seinen Weg selber finden und gehen. Für mich galt immer: Nicht nur eine Meinung, sondern auch und vor allem Ahnung haben. Also lernen, lernen, lernen. Und fleißig sein, nie auf die Uhr gucken. Und nicht zuletzt: Konzentration auf das, was wirklich wichtig ist.
Wenn Sie jetzt auf die Regierungsbildung schauen, was nervt Sie da am meisten?
Wolfgang Bosbach: Vor allem das ständige, öffentliche Beharren auf sogenannte rote Linien, ohne deren Beachtung nichts ginge. Wenn Partei A damit anfängt, muss Partei B zwangsläufig folgen. So wird das nichts. Koalition heißt Kompromiss, und keine Seite darf von der anderen etwas für sie Unzumutbares verlangen. Und bitte nicht pausenlos huldvoll vom Balkon winken. Das nervt echt.
Welchen Ratschlag haben Sie denn für die Kanzlerin?
Wolfgang Bosbach: Haha. Ausgerechnet auf Ratschläge von mir wartet sie bestimmt. Daher nur zwei: Weiterhin unbeirrt an dem Ziel einer stabilen Koalition festhalten und nicht auf Experimente wie Koko oder Minderheitsregierung setzen und in der Migrationspolitik eine wichtige Kurskorrektur vornehmen. Wir sollten niemanden mehr einreisen lassen mit völlig ungeklärter Identität und Nationalität. Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt!
Und was raten Sie zu guter Letzt Martin Schulz?
Wolfgang Bosbach: Er hat einen tapferen Kampf gekämpft, und das verdient Respekt. Er hat alles gegeben und dennoch nur ein sehr bescheidenes Ergebnis erzielt. Lieber Martin, jetzt leg mal die Füße hoch, und im neuen Jahr sieht die Welt schon wieder anders aus. Es müssen nicht immer 100 Prozent sein.