Zschäpe sagt nicht mal ihren Namen

Die Verteidiger der Angeklagten beantragen die Verlegung in einen anderen Raum. Richter Götzl lehnt das ab.

München. Beate Zschäpe bleibt ihrem selbstbewussten Stil treu. Diesmal ist der Hosenanzug etwas heller als beim Prozessauftakt, die langen Haare trägt sie nun als Zopf. Zschäpe lässt sich nicht mal von der mit vielen Details über ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gespickten Verlesung der Anklage aus der Ruhe bringen.

Ihr Auftreten lässt allmählich die Angehörigen der Opfer verzweifeln. Gerade noch sieben von 86 zugelassenen Angehörigen zählt der Nebenkläger-Rechtsanwalt Sebastian Scharner im Gericht. Manche wollen erst wieder ins Gericht kommen, wenn es um die Morde an ihren Verwandten oder um die zwei Kölner Bombenanschläge des NSU geht.

Auch am Dienstag will das Verfahren über Stunden nicht in die Gänge kommen. Zschäpes Verteidiger beantragen, den Prozess auszusetzen. Es müsse ein neuer, größerer Saal gesucht werden, sagt Verteidiger Wolfgang Heer — und schlägt den ehemaligen Bundestag in Bonn als Alternative vor. Inzwischen ist das Verhältnis des Verteidigers zu Richter Manfred Götzl zunehmend angespannt. Immer wieder liefern sich die beiden Wortscharmützel. „Die Sitzungsgewalt liegt bei mir“, sieht sich Götzl schon früh zu betonen genötigt.

Doch der Richter lässt alle Verteidiger-Anträge zurückweisen. Am späten Nachmittag kann Bundesanwalt Herbert Diemer mit der Verlesung der Anklageschrift beginnen. Zehn jeweils als Einzeltat begangene Morde, zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten, 16 Banküberfälle sollen auf das Konto des NSU gehen. Die Schilderung Diemers zeigt noch einmal, wie brutal die mutmaßlichen Haupttäter Böhnhardt und Mundlos vorgingen. Das zeigte sich schon beim ersten Mord an dem Blumenhändler Enver Simsek. Neun Mal schossen Böhnhardt und Mundlos der Anklage zufolge auf ihn, vier Schüsse trafen in den Kopf.

Der Kopf war das Hauptziel bei allen zehn Morden. Der arglosen Polizistin Michèle Kiesewetter schossen sie von hinten in den Kopf. Bei Kiesewetter soll das Motiv der Hass auf den deutschen Staatsapparat gewesen sein, in allen anderen Fällen Ausländerhass. 20 Schusswaffen soll der NSU am Ende gehabt haben. In ihren Verstecken soll das 1998 untergetauchte Trio eine Sammlung von mehr als 10 000 Namen und Objekten aufgebaut haben — potenzielle Angriffsziele.

Bundesanwalt Diemer geht zwar davon aus, dass Zschäpe keinen Mord selbst verübte. Sie soll aber für die Finanzen verantwortlich gewesen sein und den Männern ihren Rückzugsraum gesichert haben. Zschäpe verfolgt die Anklage regungslos. Auch als es um den Tod ihrer beiden mutmaßlichen Kompagnons im November 2011 geht, lässt sie sich nichts anmerken.

Und sie scheint den Angehörigen nicht mal den Gefallen tun zu wollen, auch nur ein Wort zu sagen. „Meine Mandantin wird keine Angaben zur Person machen“, sagt Heer, als der Richter sie nach ihrem Namen fragt. Zschäpes Verhalten und das des mitangeklagte mutmaßlichen NSU-Helfers André E., der mit seinem Bruder auf der Tribüne scherzt, lassen manche Zuschauer verzweifeln. „Ich halte das nicht mehr aus“, sagt eine frustrierte Frau auf der Zuschauertribüne. Sie verlässt den Saal bevor, die Anklage verlesen wird.