Interview: Patientenverfügung - der Arzt kassiert

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, kritisiert, dass Mediziner für die Beratung 235,99 Euro berechnen wollen, als Kostenschneiderei.

Düsseldorf. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, kritisiert im Gespräch mir der WZ, dass Mediziner für die Beratung 235,99 Euro berechnen wollen, als Kostenschneiderei.

Brysch: Schon seit Jahren erfahren wir, dass Information und Beratung im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung ein einträgliches Zubrot für Ärzte geworden ist. Den jetzt vom Virchow-Bund eingebrachten Vorschlag kann man als wirklichkeitsfernen und überzogenen Änderungsversuch einer teilweise ausufernden Praxis der Geldschneiderei der Ärzte verbuchen.

Brysch: Erst vor ein paar Tagen haben wir von einem solchen Fall erfahren. Eine schwer krebskranke Frau wollte sich vom Arzt nur bestätigen lassen, dass sie die für die Erstellung einer Patientenverfügung notwendige Einsichtsfähigkeit habe. Ein Vorgang, der in der Regel weniger als fünf Minuten dauert. Es ging also nicht mal um die Beratung oder Erstellung der Patientenverfügung. Und dafür sollte die Frau 50 Euro bezahlen. Ein enthemmter Griff in die Kasse einer vollkommen hilflosen Person.

Brysch: Der Patient weiß doch gar nichts über die Qualifikation des Arztes in dieser Frage. Welche Vorkenntnisse (Fortbildungsmaßnahmen) er hat. Und welche Erfahrung der Arzt mit Patientenverfügungen und der praktischen Umsetzung hat. Bei wie vielen Krisen mit Patientenverfügungen war er vor Ort? All dies weiß der Patient doch gar nicht.

Brysch: Es gab Gesetzentwürfe, wonach die Beratung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung mit rund 40 Euro durch die Krankenkassen an den betreffenden Arzt vergütet werden sollten. Tatsächlich hat sich ein Patientenverfügungsgesetz durchgesetzt, das die Politik nichts kostet. Wie sollen sich Rentner, Hartz IV-Empfänger oder Kleinverdiener eine qualitative Beratung leisten können? Beratung und Selbstbestimmung dürfen nicht von Geldbeträgen abhängig sein. Insbesondere Justizministerin Brigitte Zypries ist vorzuwerfen, dass sie und der federführende Bundestagsabgeordnete Joachim Stünker unsere Warnung nicht ernst genommen haben. Beide tragen auch die Verantwortung für den jetzigen Wildwuchs und die Kostenschneiderei.

Brysch: Hier gibt es zahlreiche Prüfkriterien: Hat der Berater zur Erstellung einer Patientenverfügung ausreichende Erfahrungen? Wie lange dauert eine Beratung? Gibt es mehrere Beratungsschritte? Arbeitet der Berater nach Textbausteinen oder formuliert er individuell? Stellt der Berater einen Entwurf schriftlich zusammen? Ist der Berater auch nach zwei oder drei Jahren auf Patientenseite, wenn es um Änderungen der Patientenverfügung geht? Muss dann wieder eine komplette Gebühr bezahlt werden wie bei einer neuen Beratung? Archiviert der Berater die Unterlagen und erinnert er regelmäßig an die Aktualisierung? Was ist im Krisenfall: Steht der Berater dann dem Beratenen beziehungsweise dem Bevollmächtigten und den Angehörigen zur Seite? All dies sind Kriterien, die der Ratsuchende im Auge haben sollte.