Politik in NRW Grüne Grundsätze sind offenbar aus der Mode
DÜSSELDORF. · Die NRW-Ministerinnen Neubaur und Paul behalten ihr Mandat – und verärgern die Grüne Lögering.
Die Trennung von Amt und Mandat – das war bei den Grünen einmal unverrückbarer Bestandteil ihrer Satzung. Wesensmerkmal einer Partei, die nicht angepasst sein wollte. Weil man mit grüner Haltung nicht gleichzeitig Teil der Legislative und der Exekutive sein konnte. Schließlich galt es ja, sich gegenseitig zu kontrollieren, keine Ämter anzuhäufen, Macht zu teilen: Wer Parteivorstand oder Minister war, sollte nicht Mitglied im Parlament sein.
Aber: Das war einmal. Wie jetzt in Nordrhein-Westfalen auch die Grünen-Ministerinnen Mona Neubaur (Wirtschaft und Klima) und Josefine Paul (Familie) nachweisen. Beide wollen ihr Landtagsmandat – als Nummer 1 und 2 der Landesliste errungen – ausdrücklich behalten, obwohl sie gerade von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zu Ministerinnen ernannt worden sind.
Wohlgemerkt geschieht das zum Schrecken der Grünen-Politikerin Katrin Lögering aus Dortmund, von deren Schicksal jetzt die „Ruhr Nachrichten“ berichteten. Die hatte nach der Nominierung von Neubaur und Paul nämlich fest damit gerechnet, über die grüne Landesliste in das Parlament nachzurücken. Lögering, in ihrem Wahlkreis dem SPD-Kandidaten nur knapp unterlegen, stand auf Platz 37, 36 Kandidaten der Liste waren wegen des guten Grünen-Ergebnisses in den Landtag eingezogen. Nun aber musste Lögering durch einen Anruf des Grünen-Landesvorsitzenden Tim Achtermeyer zur Kenntnis nehmen, dass dem so gar nicht sein wird: Beide grünen Spitzenpolitikerinnen behalten ihr Mandat auch im Amt – und Lögering ihr altes Leben als Politikerin auf kommunaler Ebene.
„Es ist die persönliche Entscheidung frei gewählter Abgeordneter, ob sie ihr Mandat behalten oder es abgeben. Wie zum Beispiel die Bundesministerinnen und -minister der Grünen, haben auch Mona Neubaur und Josefine Paul entschieden, ihr Parlamentsmandat zu behalten. Als Landespartei respektieren wir diese Entscheidung ausdrücklich“, sagte ein Sprecher der NRW-Grünen dieser Zeitung dazu. In der Tat ist der Grünen-Vorsatz längst aufgeweicht: Schon im Mai 2003 wurde die Regelung gelockert: Seitdem dürfen nicht mehr als ein Drittel der Mitglieder des Grünen-Bundesvorstandes auch Abgeordnete sein. Im Januar 2018 beschloss man, die gleichzeitige Besetzung von Amt und Mandat sei für die Dauer von acht Monaten zulässig. Diese weitere Lockerung hatte der spätere Co-Bundesvorsitzende Robert Habeck zur Bedingung seiner Kandidatur gemacht.
Und: Auf Bundesebene ist es tatsächlich üblich, als Mitglied des Kabinetts weiter einen Platz im Bundestag zu besetzen. In Bremen und Hamburg allerdings ist das strikt untersagt, auch in anderen Ländern gibt es immer wieder Fälle von Verzicht. Vielleicht ist eine Motivation auch – beide Politikerinnen ließen eine Anfrage dazu unbeantwortet –, dass ein künftiger Ministerpräsident im NRW-Landtag nur der werden kann, der auch ein Landtagsmandat sein eigen nennt. Das war zuletzt Wüst zugute gekommen, als er als Verkehrsminister für den Ministerpräsidenten Armin Laschet einspringen musste. Wer weiß, welche politischen Konstellationen noch auf Neubaur und Paul warten.