Koalitionsverhandlungen: Union und SPD machen großen Bogen um heiße Eisen
Union und SPD haben bislang nur magere Ergebnisse erzielt. Die Atmosphäre ist aber weiter gut.
Berlin. Der ehrfürchtige Blick auf die übermannsgroße Skulptur Willy Brandts im Atrium gehört zu den Ritualen, die Fremde absolvieren müssen, wenn sie die heiligen Hallen der SPD betreten. Angela Merkel ließ sich am Mittwoch von Gastgeber Sigmar Gabriel alles zur Plastik des Bildhauers Rainer Fetting erklären, obwohl sie die Figur schon kannte. Von 2005, den ersten Verhandlungen über eine große Koalition, an die sie beim Betreten des Gebäudes erinnerte. CSU-Chef Horst Seehofer, die linke Hand in der Hosentasche, hörte andächtig zu. Dann konnte die zweite „große Koalitionsrunde“ beginnen.
Einige Unionspolitiker wirkten allerdings eher wie Touristen in dieser Umgebung. „Ich kenne das ja nur aus dem Fernsehen und bin sehr gespannt“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und blickte immer wieder an der Fassade des Willy-Brandt-Hauses hoch, als sei dort das Geheimnis von 150 Jahren Arbeiterbewegung zu entdecken. Der Spruch des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt „Ich muss jetzt ganz stark sein“ beim Betreten der Räume dürfte hingegen in die Rubrik bissige Ironie fallen. Immerhin, man spürte, dass das bisherige Fremdeln zwischen Union und SPD so langsam der Gewöhnung weicht.
„Es verfestigt sich der Eindruck, dass wir gemeinsam regieren wollen und auch können“, sagte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner hinterher auf Anfrage. Die SPD hatte laut Generalsekretärin Andrea Nahles extra die Fenster putzen lassen. Dort wo Kameras hätten hineinschauen können, waren sie allerdings verblendet.
Alles sei sehr zuvorkommend und professionell gewesen, fanden die Christdemokraten. „Nur der Kaffee war ein bisschen dünn.“ Dünn war auch das Ergebnis. Noch machen die Verhandlungen einen großen Bogen um die heißen Eisen.
So auch am Mittwoch. Es ging um Europa, und da nicht um Themen wie Eurobonds, Schuldentilgungsfonds oder den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Das alles ist noch strittig, räumte Martin Schulz, SPD-Verhandlungsführer für diesen Bereich ein. Erst zur übernächsten „großen Runde“ am 13. November will man weiter sein.
Diesmal wurde lediglich ein allgemeines Papier über europapolitische Grundsätze verabschiedet: Dass Deutschland Verantwortung trage für die EU und diese auch annehme, steht darin. Schließlich einigte man sich auf ein Eintreten für die Finanztransaktionssteuer, was allerdings nicht weiter schwierig war, hat der Bundestag diese Steuer doch längst beschlossen. Es hakt auf EU-Ebene, weil nur elf Staaten mitmachen wollen.