Krieg in der Ukraine Ukraine ruft Westen zu Waffenlieferungen auf - Die Nacht im Überblick
Mehr als drei Monate dauert der russische Angriff auf die Ukraine bereits. Vor allem im Donbass wird heftig gekämpft. Ein Überblick über die Entwicklung in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.
Im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen hat die Ukraine den Westen erneut mit Nachdruck zur weiteren Lieferung schwerer Waffen aufgerufen. Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj nannten konkret Mehrfachraketenwerfer und Antischiffsraketen. Damit ließe sich auch die Blockade ukrainischer Häfen durchbrechen, hieß es. Der (heutige) Sonntag ist bereits der 95. Kriegstag. Russland hatte das Nachbarland Ukraine am 24. Februar angegriffen.
Der russische Präsident Wladimir Putin warnte bei einem Telefonat mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Das berge das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Lage und der Verschärfung der humanitären Krise, sagte Putin einer in Moskau vom Kreml veröffentlichten Mitteilung zufolge. Scholz und Macron forderten in dem 80-minütigen Gespräch erneut ein Ende des Krieges.
Selenskyj fordert Einstufung Russlands als Terrorstaat
Staatschef Selenskyj warf Russland eine Politik des Terrors vor. „Ich werde die Welt immer wieder daran erinnern, dass Russland endlich offiziell als Terrorstaat, als Förderer des Terrorismus, anerkannt werden muss“, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Er wolle sich zu Wochenbeginn an die Teilnehmer des EU-Sondergipfels in Brüssel wenden und auch darüber sprechen.
„Über den Terror, der heute tatsächlich die einzige Form des Handelns des russischen Staates gegen Europa geworden ist“, sagte der Präsident. „Terror auf dem Gebiet der Ukraine. Terror auf dem Energiemarkt in Europa, nicht nur in unserem Land. Terror auf dem Lebensmittelmarkt, und zwar weltweit. Und welcher Terror wird als nächstes kommen?“ Nur gemeinsam könnten die Europäer die Politik eines solchen Staates stoppen, betonte er.
Ukraine: Brauchen Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite
Selenskyj-Berater Mychajlo Podoljak forderte den Westen zur Lieferung moderner Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite auf. „Wenn der Westen wirklich den Sieg der Ukraine will, ist es vielleicht Zeit, uns MLRS zu geben?“, fragte er auf Twitter. MLRS sind in den USA hergestellte Artilleriesysteme. „Es ist schwer zu kämpfen, wenn man aus einer Entfernung von 70 Kilometern angegriffen wird und nichts hat, womit man sich wehren kann“, meinte Podoljak. Die US-Regierung zieht einem Medienbericht zufolge in Erwägung, Mehrfachraketenwerfer in die Ukraine zu schicken.
Präsidentenberater Olexij Arestowitsch sprach sich für Lieferungen von Raketen vom Typ Harpoon aus, mit denen Schiffe angegriffen werden können. Damit könnte die Ukraine die russische Blockade der Seehäfen durchbrechen, wurde Arestowitsch von der Agentur Unian zitiert.
Ukraine: Russland-Sanktionen nicht ursächlich für Nahrungsmittelkrise
Die Ukraine widersprach Russland erneut mit Nachdruck, dass westliche Strafmaßnahmen gegen Moskau der Grund für die aktuelle mangelnde Lebensmittelsicherheit in der Welt seien. „Sanktionen gegen Russland haben nichts mit der sich abzeichnenden globalen Nahrungsmittelkrise zu tun“, teilte Außenminister Dmytro Kuleba per Twitter mit. „Der einzige Grund für Engpässe, steigende Preise und drohenden Hunger ist, dass das russische Militär 22 Millionen Tonnen ukrainischer Lebensmittelexporte in unseren Seehäfen physisch blockiert“, betonte Kuleba. Der Westen müsse Russland zum Ende der Blockade bringen.
Erst am Samstag hatte Putin bei dem Telefonat mit Scholz und Macron gesagt, die „fehlerhafte Wirtschafts- und Finanzpolitik der westlichen Staaten“ sowie die „antirussischen Sanktionen“ seien für die Probleme verantwortlich. Die Bundesregierung weist stets darauf hin, dass es keine Sanktionen gegen Lebensmittel gebe. Scholz und Macron beklagten nach Angaben der Bundesregierung die angespannte Lage auf dem globalen Lebensmittelmarkt.
Ukraine: Berichte über Tote und Verletzte bei russischen Angriffen
Bei Angriffen auf ukrainische Orte wurden den Behörden zufolge mehrere Zivilisten getötet oder verwundet. Präsident Selenskyj warf Russland „neuen Terror“ vor. Es handele sich um „sinnlose, barbarische Angriffe“ mit Raketen und Mörsern. Die ukrainische Armee teilte mit, russische Angriffe abgewehrt zu haben. Dabei seien 33 „Okkupanten“ getötet und sechs gepanzerte Fahrzeuge zerstört worden. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen.
Besonders umkämpft war weiter die Großstadt Sjewjerodonezk im Donbass. Die russischen Truppen versuchten, dort Fuß zu fassen, teilte der ukrainische Militärexperte Oleh Schdanow der Agentur Unian zufolge mit. Nach Angaben des Gouverneurs von Luhansk, Serhij Hajdaj, ist die Stadt weiter unter ukrainischer Flagge. Er widersprach damit Berichten aus Russland, Sjewjerodonezk sei vollständig eingenommen.
Nach der Eroberung der Hafenstadt Mariupol durch russische Truppen warnte Bürgermeister Wadym Bojtschenko unterdessen vor dem Risiko von Infektionskrankheiten. Kanalisation und Müllabfuhr funktionierten nicht mehr, zudem stiegen die Temperaturen. „Daher melden unsere Ärzte die Gefahr, die in diesem Sommer auftreten kann: Ausbrüche von Infektionskrankheiten wie der Ruhr und anderen“, sagte Bojtschenko, der selbst nicht in der Stadt ist.
Das bringt der Tag
Kanzler Scholz wird in Potsdam zu einem Wahlkreisgespräch über den Ukraine-Krieg und die Folgen erwartet. In Berlin findet unter dem Motto „Save Ukraine - #StopWar“ eine Wohltätigkeits-Veranstaltung am Brandenburger Tor statt. Angekündigt ist unter anderem die Kalush Orchestra Band, Gewinner des Eurovision Song Contest 2022. Die Klitschko-Brüder sollen zugeschaltet werden.