Das neue G9 wird nicht wie das alte sein

25 Lehrpläne werden neu gestaltet. Wirtschaft und Digitalisierung erhalten mehr Gewicht. An einen regulären Samstagsunterricht ist nicht gedacht.

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Düsseldorf. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Abschied vom Turbo-Abitur und die Rückkehr zu G9 sind durch den Kabinettsbeschluss vom Dienstag auf den parlamentarischen Weg gebracht. Am Donnerstag gab Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) einen detaillierten Überblick zur Umsetzung unterhalb der Gesetzesebene. Ziel sei nicht die Rückkehr zum alten G9, sondern ein Modernisierungsschub für die Gymnasien in NRW. „Darum werden wir auch nicht, wie von einigen Elterninitiativen gefordert, auf die alten Lehrpläne zurückgreifen.“ Ein Überblick.

Lehrpläne: Eine der Mammutaufgaben der Umstellung hat laut Gebauer schon dazu geführt, dass Mitarbeiter des Ministeriums auf ihre Weihnachtsferien verzichtet haben. Inzwischen ist das zuständige Landesinstitut mit der Erarbeitung von 25 Kernlehrplänen für die Sekundarstufe I (Sek I) des Gymnasiums beauftragt. Sie werden zum 1. August 2019 in Kraft treten. Entwürfe sollen in einem Jahr vorliegen und dann in die Verbändebeteiligung gehen. Die Notwendigkeit der Neugestaltung begründet die Ministerin mit einem besonders drastischen Beispiel: Der derzeitige Lehrplan Informatik (allerdings nur für den Wahlpflichtbereich in Stufe 8 und 9, für den es mitunter auch gar keine Lehrpläne gibt) stammt noch von 1993.

Wochenstunden: Für die Klassen 5 bis 10 sind insgesamt 180 verbindliche Wochenstunden vorgesehen und weitere acht unverbindliche, beispielsweise für AGs am Nachmittag. Das bedeutet im Schnitt 30 Wochenstunden pro Klasse. Damit ist bei sechs Stunden pro Tag und einer optimalen Verteilung der Gymnasiumsbetrieb auch ohne verpflichtenden Nachmittagsunterricht möglich. Bei G8 sind 163 Wochenstunden auf nur fünf Jahrgänge verteilt (Wochenschnitt von 32,5 Stunden). Die Schulen erhalten Ressourcen für 188 Stunden, gebundene Ganztagsgymnasien noch einen 20-prozentigen Lehrstellenzuschlag. Die Entscheidung über Halbtag oder Ganztag wird von den Schulträgern vor Ort getroffen.

Samstagsunterricht: An der schon seit Jahren bestehenden Möglichkeit der Schulen, bei der Verteilung der Wochenstunden auch den Samstag einzubeziehen, ändert sich nichts. Einen regulären Samstagsunterricht wird es weiterhin nicht geben, da rechnerisch der Halbtagsbetrieb auch an fünf Tagen möglich ist. In Köln wird aktuell allerdings aufgrund der Gebäudenot diskutiert, wieder samstags zu unterrichten.

Mittlere Reife: Wie schon an allen anderen weiterführenden Schulen wird es ab 2024 auch an Gymnasien zum Abschluss der Klasse 10 eine zentrale Prüfung in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch geben, unabhängig davon, ob die Schüler in die Oberstufe wechseln oder abgehen wollen. Die Ergebnisse fließen in die Gesamtbenotung und damit auch in die Entscheidung über den Wechsel in die Oberstufe mit ein.

Zweite Fremdsprache: Die Einführung der zweiten Fremdsprache wird mit G9 wieder von der 6. in die 7. Klasse verschoben. Das gilt nicht nur für Gymnasien, sondern auch für alle anderen Schulformen. In der Jahrgangsstufe 11 (Einführungsphase) kann dann eine dritte Fremdsprache gewählt werden.

Ökonomische Bildung und Digitalisierung: Ein eigenständiges Fach Wirtschaft, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, wird es zunächst nicht geben. Yvonne Gebauer rückt aber von dem Ziel nicht ab, will jedoch erst ein „solides Fundament“ schaffen. Das müsse auch beim Studiengang in der Lehrerausbildung berücksichtigt werden. Vorerst sollen die wirtschaftlichen Aspekte im Fach „Politik/Wirtschaft“ gestärkt werden, „aber ohne die Politik zu schwächen“, verspricht Gebauer. Das Thema Digitalisierung soll in allen Fächern verankert werden. Den Schülern werden auch Grundkenntnisse im Programmieren vermittelt. Die Ministerin will noch in diesem Jahr eine Digitalisierungsstrategie vorlegen. Auch bei den MINT-Fächern verspricht sie eine „maßvolle“ Aufwertung.

Schulzeitverkürzung: Leistungsstarke Schüler können an G9-Gymnasien künftig nach der Erprobungsstufe jeweils zum Ende eines Schulhalbjahres oder Schuljahres eine Klasse überspringen. Je nach Schulkonzept soll das auch ganzen Gruppen ermöglicht werden.

Kosten: Gebauer geht davon aus, dass die Kosten für die Umstellung (vor allem Raumkosten, Schülerbeförderung, Lehrmittel) nicht unter 500 Millionen Euro liegen. „Das heißt aber nicht, dass diese Summe 1:1 vom Land übernommen wird.“ Derzeit sind zwei Gutachter mit der Ermittlung der Umstellungskosten beauftragt. Im Anschluss müsse geklärt werden, was vom Land und was von den Schulträgern übernommen werde. Das Belastungsausgleichsgesetz, das die Kostenübernahme regelt, soll zum 1. August 2019 in Kraft treten. „Aber der Landtag wird im Sommer wissen, wie die Eckdaten des Belastungsausgleichs aussehen“, kündigt Gebauer an.

Inklusion: Zum Umgang mit der Inklusionsfrage will sich die Schulministerin noch nicht äußern. Mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz ist Inklusion seit 2013 an Gymnasien nicht länger nur für zielgleich geförderte Schüler möglich, die beispielsweise eine Körperbehinderung haben und das Abitur anstreben. Auch zieldifferent unterrichtete Schüler mit den Förderschwerpunkten „Lernen“ (also Schüler mit Lernstörungen und Lernbehinderungen) und „Geistige Entwicklung“ (also Schüler mit geistigen Behinderungen unterschiedlichen Grades) können an Gymnasien unterrichtet werden. „Die zielgleiche Inklusion steht nicht zur Diskussion“, sagt Gebauer — was zugleich bedeutet, dass die zieldifferente Inklusion offenbar noch umstritten ist.

Weiteres Verfahren: Am Donnerstag sind die Grundlagen der Umstellung auf G9 an die beteiligten Verbände verschickt worden. Am 24. April ist ein erstes Treffen geplant, um die Eckpunkte mit dem Ministerium zu diskutieren.