Berlin Minister Scheuer redet zur sauberen Luft nur mit Lokalmedien

Für Hauptstadt-Journalisten ist Andreas Scheuer wahlweise ein eitles Döfchen aus der Provinz oder ein CSU-Zähnefletscher. Nun hat der Minister sich etwas ausgedacht.

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Berlin. Wie schafft man es als Bundesminister im Berliner Medienbetrieb, mit stark regionalisierten Themen und vergleichsweise unklaren Aussagen zu unklaren Positionen ein Millionen-Publikum zu erreichen — ohne dafür wieder ausgelacht zu werden, wie bei der Idee mit der Funkloch-App, mit der die Bürger Funklöcher melden sollen, was aus dem Funkloch heraus schwerlich möglich ist?

Der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wusste, wie es geht: Gröhe schaffte es selten auf die Titelseiten der Republik, aber sehr häufig in den Lokalteil. Dafür zog er über Land, von einer Regionalzeitung zur nächsten, meist mit guten Nachrichten im Gepäck. So wurde Gröhe, der fast nie die Schlagzeilen beherrschte, zu einem der beliebtesten Minister im Kabinett Merkel III. Andreas Scheuer (43) hat nun einen ganz eigenen Weg gefunden, sich vorerst weitgehend unkritisiert mediales Gehör vor einem Millionen-Publikum zu verschaffen.

Lokal- und Regionalmedien seien dem Minister „ein Herzensanliegen“, flötete sein Sprecher Wolfgang Ainetter, weshalb er sich sehr freuen würde, die Adressaten der Massen-Mail persönlich kennenzulernen, wozu er ins Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einlade: „Der Minister will sich ab sofort regelmäßig persönlich mit Ihnen austauschen, weil niemand so nah bei den Menschen ist wie Sie. Thema des ersten ,Lokalmedien-Gipfels’ im Ministerium: ,Bessere Luft in Städten’.“

Der Österreicher Ainetter, der bis vor wenigen Wochen noch die 16 Regionalausgaben der „Bild“-Zeitung koordinierte, lud ausschließlich die Chefinnen und Chefs von Lokalradios und Regionalzeitungen ein, die die Mehrheit der Menschen in den rund 65 deutschen Städten erreichen, in denen die Stickstoffdioxid-Belastung (NO2) den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschreitet; ARD, ZDF, RTL, Sat.1, die FAZ, die Süddeutsche und Bild blieben draußen. Und damit „diese Auslandsreise“ (Scheuer) sich auch journalistisch lohne, versorgte das Ministerium die knappe Hundertschaft angereister Lokaljournalisten mit unveröffentlichten Zahlen — nach denen sonst wahrscheinlich niemand gefragt hätte.

Wer von angereisten Lokaljournalisten je zuvor mit dem bayerisch geprägten Ministerium an der Invalidenstraße im früheren Osten Berlins zu tun hatte, kam aus dem Staunen kaum noch heraus: Wo vorher eine misslaunige Beamten-Bude argwöhnisch durch die Schießscharten ihrer Behörden-Burg lugte und Fragen abwimmelte, setzte Scheuer auf Transparenz und Wertschätzung.

„Lokalmedien sind Heimat, Sie sind systemrelevant“, hatte ihm sein Sprecher dazu aufgeschrieben, und „Lokaljournalismus schafft Identität.“ Natürlich gut gegelt, edel krawattiert und Hermès-gegürtet, aber dabei nahezu leutselig präsentierte sich Scheuer, beantwortete mit Geduld und großem Ernst eine Stunde lang Fragen zur Leverkusener Rheinbrücken-Planung ebenso wie zur Verkehrslage in Heidenheim an der Binz.

Im Berliner Medienbetrieb gehört Andreas Scheuer bislang nicht zu den erklärten Lieblingen der Hauptstadtjournalisten. Dort haftet dem neuen Bundesverkehrsminister noch der Nachhall seiner außerhalb Bayerns vermittlungsbedürftigen Auftritte als CSU-Generalsekretär an. Scheuer ist der, dem es einerseits gelang, Alice Weidel (AfD) zum Verlassen einer Talkshow zu provozieren, der aber andererseits mit dem furchtbaren Satz vom fußballspielenden, ministrierenden Senegalesen („Der ist drei Jahre hier — als Wirtschaftsflüchtling — den kriegen wir nie wieder los“) in Erinnerung blieb. Und halt mit dieser App-Witznummer; köstlich.

Danach fragt aber keiner der freundlichen Lokaljournalisten. Die fragen ganz konkret, wie man in Hamburg oder Duisburg oder in den Rhein-Metropolen wohl die NO2-Belastung senken soll, wenn die Schiffsdiesel bis in die Fußgängerzone stinken. Oder was Darmstadt und Wiesbaden außer dem Kauf besserer Busse sonst tun sollen. Scheuer hat auf fast alles eine Antwort, meist aber keine Lösung. Seine Botschaft ist viel schlichter: „Die Verantwortlichen in den Städten müssen sich nur die passenden Angebote heraussuchen.“ Scheuers Haus gibt das Geld, ausgeben müssen es die Kommunen selbst; Schuldfrage prophylaktisch geklärt.

Eine Milliarde Euro soll in das Sofortprogramm „Saubere Luft 2017—2020“ fließen, für die Förderung von Lastenrädern über digitale Verkehrssteuerung bis zur Bus-Elektrifizierung im ÖPNV. In „Intensivstädten“ (München, Stuttgart und Köln) und solchen mit hoher „Umgebungsbelastung“ könne das schwierig werden. Aber grundsätzlich ist Scheuer überzeugt: „Wir können Mobilität und saubere Luft zum Exportschlager machen.“ Das alles soll ohne „Verbote und Klebevorgänge an Windschutzscheiben“ funktionieren. Daraus hätte die Hauptstadt-Presse wohl wirklich eher gemacht, was es ist: Viel Ankündigung, wenig Nachricht.