Nach Afghanistan-Interview: Horst Köhler tritt zurück

Der Bundespräsident beklagt eine unangemessene Kritik an seinen Äußerungen. Bis zum 30.Juni muss ein Nachfolger gewählt sein.

Berlin. Paukenschlag in Berlin: Bundespräsident Horst Köhler hat am Montag völlig überraschend seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Als Grund nannte der 67-Jährige die Kritik an seinen Äußerungen zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Ein Nachfolger muss nun bis zum 30. Juni gewählt werden. Der Bremer Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) übernahm als Bundesratspräsident vorläufig die Amtsgeschäfte. Das regelt das Grundgesetz.

Köhler sagte, er bedauere, dass seine Äußerungen zu Afghanistan "zu Missverständnissen führen konnten". Die Unterstellung, er befürworte Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt seien, entbehre aber jeder Rechtfertigung. "Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen."

Der Bundespräsident hatte Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit Wirtschaftsinteressen begründet und damit heftigen Widerspruch ausgelöst. Später ließ er seine Äußerungen präzisieren. Die Afghanistan-Mission sei nicht gemeint gewesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte es nach den Vorwürfen vermieden, Köhler öffentliche Rückendeckung zu geben. Auch dies könnte ihn zu seinem Schritt bewogen haben.

Während seiner Rücktrittserklärung stand Köhlers Frau Eva Luise an seiner Seite. Beim Verlesen der Erklärung hatte er Tränen in den Augen. Streckenweise versagte ihm die Stimme. Direkt danach verließ er Schloss Bellevue in einer Limousine.

Merkel zeigte sich tief betroffen von dem Rücktritt. Köhler habe sie erst am Mittag telefonisch informiert. Der Versuch, ihn umzustimmen, "ist leider nicht gelungen". Sie bedauere die Entscheidung "aufs Allerhärteste". Auch der Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle hatte versucht, Köhler umzustimmen. "Ich bedauere diese Entscheidung aus vollem Herzen", sagte Westerwelle.

Wer Nachfolger wird, ist offen. Gehandelt werden unter anderem Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU).

Köhler war als Kandidat von Union und FDP 2004 gewählt und 2009 für fünf Jahre bestätigt worden. Er ist der erste Bundespräsident, der mit sofortiger Wirkung zurücktritt. Heinrich Lübke hatte 1969 sein Amt zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit niedergelegt, dies aber lange zuvor angekündigt.