Berlin. Der Streit um geheime Verfassungsschutzakten, die helfen könnten, die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch RAF-Terroristen 1977 aufzuklären, geht in die nächste Runde. Die Frage ist: Hat der Staat selbst die Aufklärung des Falles behindert?
Im Licht neuer Erkenntnisse, die kürzlich zur Inhaftierung der ehemaligen Rote-Armee-Fraktion-Terroristin Verena Becker geführt haben, hat die Bundesanwaltschaft am Mittwoch nach 1982 und 2007 erneut um Einsicht in als streng vertraulich eingestufte Akten des Verfassungsschutzes gebeten. Darin enthalten sind Protokolle über Aussagen Beckers, die sich in den 80er Jahren dem Verfassungsschutz als Informantin angedient hatte. Sie soll dabei dem Vernehmen nach wertvolle Hinweise auf die unmittelbar am Buback-Mord beteiligten RAF-Terroristen gegeben haben. Ein Detail: Laut Becker soll der RAF-Terrorist Stefan Wisniewski Bubacks Todesschütze gewesen sein.
Besagte Akten hatte der Verfassungsschutz seinerzeit jedoch für die Verwertung in einem Strafprozess ausgeschlossen, um Verena Becker als Quelle zu schützen und die eigenen Arbeitsmethoden geheim zu halten. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als oberster Dienstherr des Verfassungsschutzes weigert sich, den Strafverfolgern die vertraulichen Unterlagen zum Mordfall Buback vollständig zur Verfügung zu stellen. Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung habe hinter dem Geheimhaltungsinteresse der Sicherheitsbehörden zurückzustehen. Andernfalls drohe der Bundesrepublik Deutschland ein Schaden.
Der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz sagte dazu gegenüber unserer Zeitung: "Ich finde es verheerend, dass der Innenminister Verdächtigungen im Raum stehen lässt, nach denen es ein enges Zusammenwirken zwischen staatlichen Organen und Terroristen gegeben haben soll. Der einzige Weg, um die Gerüchteküche endlich trocken zu legen, ist die Herausgabe der Akten an die Bundesanwaltschaft."
Wiefelspütz’ Äußerungen zielen ab auf teilweise neue Informationen, die der Fernseh-Journalist Egmont R. Koch in seiner am Mittwochabend ausgestrahlten ARD-Dokumentation "Bubacks Mörder - auf der Spur eines ungeklärten Verbrechens" zusammengetragen hat. Danach, so erklärt der ehemalige Verfassungsschutz-Beamte Winfried Ridder in dem Film, hat der Staat an Verena Becker rund 100 000 Mark Info-Honorar gezahlt.
Für Dieter Wiefelspütz sind die neuen Darstellungen Anlass genug, den Fall Buback und alles, was damit zusammenhängt, noch einmal umfassend zu beleuchten. Die Vorstellung, dass staatliche Organe mauerten, obwohl die Möglichkeit bestehe, dass der Mörder Bubacks 32 Jahre nach der Tat doch noch enttarnt werde, sei "in einer Demokratie unerträglich", sagte Wiefelspütz.