Schwesig: „Bildung darf nicht allein Ländersache bleiben“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig über Wahlkampf mit der SPD, Gedenken in Lichtenhagen und neue schulpolitische Ideen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig findet, dass Bund und Länder in Bildungsfragen viel enger zusammenarbeiten müssen.

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In dieser Woche haben sich die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen zum 25. Mal gejährt. Bei den Gedenkveranstaltungen glänzte die Bundespolitik durch Abwesenheit. Enttäuscht Sie das?

Manuela Schwesig: Für mich war es wichtig, als Ministerpräsidentin ein Zeichen zu setzen: Wir haben diese Pogrome nicht vergessen und kehren Probleme nicht unter den Teppich. Politik, Behörden und auch Medien haben damals viele Fehler gemacht, daraus haben wir gelernt. Meine Erfahrung auch als Bundesministerin ist, dass man immer versucht daraus ein lokales, ein ostdeutsches Phänomen zu machen. Rechtsextremismus ist aber ein Problem in ganz Deutschland. Deswegen habe ich mich als Bundesministerin gemeinsam mit Heiko Maas im Kampf gegen rechte Gewalt engagiert.

Aber Hand aufs Herz: Hätte der Bund nach der Wende mehr Geld in die politische Bildung und Integration der Ostdeutschen stecken müssen?

Schwesig: Die damalige Landespolitik hat so getan, als sei das bloß ein Problem vor Ort in Rostock, und die Bundespolitik tat so, als ginge sie das nichts an. Das war falsch. Die Probleme von Hass und Hetze gibt es auch heute in ganz Deutschland, und vom hasserfüllten Wort zur Tat ist es nur ein kurzer Weg. Deshalb brauchen wir Konzepte zur Demokratieförderung und Extremismusprävention. Programme sind gut, aber wir müssen politische Bildung dauerhaft vor Ort in Strukturen verankern. Als Bundesministerin habe ich dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt und kann nicht verstehen, warum es von Frau Merkel und ihrem Kanzleramt blockiert wird.

Sie haben am 4. Juli als Ministerpräsidentin die Nachfolge des erkrankten Erwin Sellering angetreten. Im Land regieren Sie mit einer großen Koalition, die Sie im Bund beenden wollen. Wie erklären Sie Wählern diesen Spagat?

Schwesig: Der erhebliche Unterschied ist: Die große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern wird von der SPD geführt, wir stellen die Ministerpräsidentin. Im Koalitionsvertrag haben wir viele SPD-Vorhaben verankert, zum Beispiel die Absenkung der Kita-Gebühren. Ich habe ja beide Erfahrungen: Wie ist es, wenn man selbst die Regierungschefin stellt, und wie ist es, wenn es die anderen tun. Ich kann jetzt Dinge viel besser bewegen. In der Bundespolitik war meine Erfahrung immer, dass alles, was in der Familienpolitik verbessert werden soll, hart gegen die Union erkämpft werden muss. Frau Merkel und die CDU haben nicht vor, Geld für Bildung auszugeben und die Kitas gebührenfrei zu machen. Martin Schulz wird das tun.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz stellt am Montag seinen Plan einer „nationalen Bildungs-Allianz“ vor. Soll Bildung künftig nicht mehr Ländersache sein?

Schwesig: Bildung darf nicht allein Ländersache bleiben, Bund und Länder müssen in Bildungsfragen viel enger zusammenarbeiten. Mit der Kleinstaaterei muss Schluss sein. Das mag historisch so gewachsen sein, aber es passt nicht in die heutige Zeit. Ich kann keiner Familie erklären, warum man von den Eltern erwartet, quer durch die Republik wegen des Jobs ihren Wohnort zu wechseln, aber die Kinder auf verschiedene Bildungssysteme treffen. Bildung ist der wichtigste Schlüssel für die Zukunft unseres Landes. Deshalb müssen wir zu mehr Gemeinsamkeit kommen.

Halten Sie es bis zu den Landtagswahlen 2021 in Mecklenburg-Vorpommern aus oder kehren Sie früher in die Bundespolitik zurück? Vielleicht schon nach der Wahl am 24. September?

Schwesig: Ich bin jetzt Ministerpräsidentin des wunderschönen Mecklenburg-Vorpommerns und stellvertretende Parteivorsitzende der SPD. Mit diesen beiden Aufgaben bin ich voll ausgefüllt und sehr glücklich.

Sie haben gerade die frühere Leiterin Ihres Ministerstabs zur Leiterin der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommerns in Berlin befördert. Das ist ein Signal, dass Sie offensiver auf der Bundesebene auftreten wollen.

Schwesig: Ich habe keineswegs vor, mich aus der Bundespolitik zurückzuziehen. Im Gegenteil: Als Ministerpräsidentin und stellvertretende Parteivorsitzende möchte ich weiter Einfluss nehmen, weil das, was in Berlin entschieden wird, direkte Auswirkungen in Mecklenburg-Vorpommern hat. Deshalb braucht man in der Landesvertretung jemanden, der beide Ebenen kennt.

Wann wird die SPD reif für eine Vorsitzende sein?

Schwesig: Wir haben mit Martin Schulz einen sehr guten Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten. Die gesamte Parteispitze ist momentan unterwegs, auch ich gerade quer durch NRW, um für Martin Schulz und eine starke SPD zu kämpfen. Die so genannte „heiße Phase“ des Wahlkampfs hat ja gerade erst begonnen: Tausende Menschen kommen in diesen Tagen zu unseren Kundebungen, um Martin Schulz live zu erleben. Und alle, die dabei waren und eine Rede von ihm gehört haben, gehen begeistert vom Platz. Ich bin sicher, da ist noch was drin.