Interview mit Christian Hacke Trump als Präsident? „Es ist das kalkulierte Chaos“
Düsseldorf. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat in wenigen Wochen Amtszeit viele Menschen verunsichert. Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Christian Hacke über Amerika als Firma in der Weltpolitik, Rassismusprobleme und Deutschlands neue Rolle.
Herr Hacke, Sie kommen gerade erst zurück von der Münchener Sicherheitskonferenz. Wie haben Sie die Befindlichkeiten der Welt mit dem amerikanischen Präsidenten Trump wahrgenommen?
Christian Hacke: Ich habe in den letzten zwei Monaten stets für ein bisschen Gelassenheit plädiert und war der Meinung, es könne sich alles noch drehen. Aber ich werde im Zuge der vergangenen Wochen der Präsidentschaft Trumps doch zunehmend pessimistisch. Das ist schon eine harte Nummer, wie wir sie in der amerikanischen modernen Geschichte noch nicht erlebt haben.
Jeder Tag erhärtet den Eindruck, Trump sei kein geeigneter Präsident für die Weltmacht USA.
Hacke: Man sieht den Strohhalm nicht mehr. Auch in München auf der Konferenz haben der Verteidigungsminister James Mattis und der Vizepräsident Mike Pence über die harte Faust einen leichten Samthandschuh gezogen, aber wenn sie genau hinsehen, sind auch deren Aussagen konditioniert: Wenn nicht, dann. . . Und: Was haben die schon zu sagen unter Donald Trump? Das wissen wir doch alle gar nicht mehr.
Der Amerikanistiker Hans Ulrich Gumbrecht sprach unlängst davon, Trump sei ein durchaus auch willkommener Stresstest für die Demokratie. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Hacke: Mehr Stress als Test, würde ich sagen. Und der Stress wird vermutlich immer größer. Was mir Hoffnung macht, waren die Reaktionen der Judikative auf die Direktiven von Trump und die Reaktionen vieler Medien in den USA. So far the system works (Bis jetzt funktioniert das System, Anm. d. Red.) — könnte man sagen. Die Mühlen der Judikative in den USA mahlen unheimlich langsam und unübersichtlich, aber ich sage Ihnen: sie mahlen. Ich bin zuversichtlich, dass Trump mit seinen Einreiseverboten zum Beispiel nicht durchkommt. Meine Hoffnung ist, dass Rasputin-Typen wie Trumps Einflüsterer Stephen Bannon im Moment auf Sparflamme stehen. Bei diesem Stresstest stehen nicht weniger als die guten Sitten auf dem Prüfstand. Und damit meine ich nicht nur das Prinzip von „Checks and Balances“ (Bezeichnung für die gegenseitige Kontrolle von Verfassungsorganen eines Staates, Anm. d. Red.). Der Präsident macht sich als Person unmöglich.
Da würden Ihnen viele zustimmen. Aber ist er nicht einfach nur konsequent?
Hacke: Das Interessante ist doch, dass Donald Trump als Person derselbe geblieben ist. Amerika hat sich verändert. Vor zwei, drei Jahren wäre Trump noch nicht gewählt worden. Das ist das wirklich Bedrückende.
Was hat es sich derartig verändert in den USA?
Hacke: Es ist wie in jedem Land, das sich im Niedergang befindet, und die USA sind im Niedergang, als Weltmacht allemal. Und vergessen Sie bitte nicht: Die USA sind seit 17 Jahren im Krieg, in einem Krieg, den sie nicht gewinnen. Davon sind sie satt, auf die Weltordnungsmacht-Rolle geben die Amerikaner einen ,Deibel’ - das hat sie nur gekostet. Da hinein hat Trump den Finger gelegt, und das hat er geschickt gemacht: Seht her, wir haben nicht von Globalisierung und militärischer Intervention profitiert! Deshalb haben ihn die Leute gewählt. Das war eine Wahl gegen Clinton, die gehasst wurde, weniger eine für ihn. Sie hätten dort vermutlich eine Strohpuppe hinstellen können. Der Hass auf die liberalen Eliten, die die letzten Jahre tatsächlich versaubeutelt haben, ist enorm in den USA.
Wir in Europa machen uns zu einem guten Teil lustig über Trump. Ist das wieder die Arroganz der Eliten und greift das zu kurz?
Hacke: Eindeutig ja. Weil ihm die Hälfte Amerikas folgt, und das nach wie vor. Er kommt aus dem Wahlkampfmodus ja gar nicht heraus. Trump will Präsident und Wahlkämpfer sein. Und wir verkennen die Situation in diesem Land, auch den latenten Rassismus. Denken Sie an folgende Szene: Der Präsident Obama hat Trump 2011 bei einem damaligen Korrespondenten-Dinner verbal und ironisch fertig gemacht. Zuvor hatten ihn Republikaner attackiert, er, Obama, sei gar nicht in den USA geboren worden und dürfe deswegen nicht Präsident sein. Diese Szene ist wichtig. Jeder Dussel hat das auf Obama und Trump personalisiert. Aber das geht viel tiefer. Was meinen Sie, wie viele rassistische Weiße sich davon getroffen fühlten? Dass ein schwarzer Präsident smarter, eleganter, witziger, klüger ist. Und dass ein Weißer wie ein Depp dargestellt wird. Darin steckt viel mehr latenter und offener Rassismus, als wir glauben. Das Konfliktpotenzial wird hier immer noch nicht erkannt.