Pandemie Wachsender Druck auf die Länder für mehr Corona-Schutzvorgaben

Der Herbst ist da, und Corona-Ansteckungen breiten sich wie erwartet wieder schneller aus. Bei regionalen Problemen könnte jetzt auch der Staat vor Ort stärker gegensteuern. Doch wann ist der Punkt erreicht?

Die Corona-Schutzvorgaben sollen verschärft werden.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Wegen vielerorts steigender Corona-Infektionszahlen wächst der Druck auf die Länder, wieder zusätzliche Schutzvorgaben mit Masken in Innenräumen anzugehen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte am Donnerstag in der ARD: „Die Welle, die sich aufbaut, die wird ja nicht alleine enden. Da muss man reagieren.“ Der SPD-Politiker legte den Ländern erneut nahe, jetzt Möglichkeiten im Infektionsschutzgesetz dazu ins Auge zu fassen. Auch der Ärzteverband Marburger Bund rief zum Gegensteuern bei kritischer Lage auf und wies auf schon hohe Belastungen in Kliniken hin. An diesem Freitag will der Bund eine neue Kampagne vorstellen, um für Impfungen zu werben.

Lauterbach machte deutlich, dass weitergehende Vorgaben im Ermessen der Länder liegen. „Wir wollen keine Panik schüren, wir wollen die Länder auch nicht gängeln.“ Es müsse aber schon darauf hingewiesen werden: „Irgendwann müssen die Länder sich überlegen, wäre es nicht doch besser, die Maskenpflicht einzuführen.“ Wenn sie sich einigen könnten, wann der optimale Zeitpunkt sei, wäre dies natürlich toll.

Die Lage: Das Infektionsgeschehen zieht tendenziell weiter an. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Sieben-Tage-Inzidenz am Donnerstag mit 793,8 an - nach 799,9 gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag und 462,4 vor einer Woche. Dabei gibt es regional weiter erhebliche Unterschiede - von 1573,3 im Saarland bis 302,5 in Hamburg. Über der Schwelle von 1000 liegen aktuell nach RKI-Daten auch Bayern (1016,6) und Hessen (1002,7).

Experten gehen aber von vielen nicht erfassten Fällen aus – vor allem weil viele Infizierte keinen PCR-Test mehr machen und so nicht in die Statistik eingehen. Nachmeldungen und Übermittlungsprobleme können zu Verzerrungen von Tageswerten führen. Lauterbach erklärte: „Wir haben wieder stark steigende Fallzahlen, wir haben eine hohe Dunkelziffer.“ Krankenhäuser seien teils schon wieder an der Überlastungsgrenze.

Die Eindämmung: Die Chefin des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Überall dort, wo die Inzidenzen jetzt durch die Decke gehen, müssen die Länder mit einer FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Innenräumen reagieren.“ Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Empfehlung oder die Pflicht zum Tragen von Masken werden wir in wenigen Wochen wieder brauchen.“ Der Virologe Hendrik Streeck warnte indes bei RTL davor „zu glauben, dass eine Maskenpflicht jetzt ein Allheilmittel ist, dass wir dadurch wieder eine bessere Bekämpfung der Infektionszahlen haben“.

In ersten Ländern wird schon über verschärfte Maßnahmen nachgedacht. So waren Überlegungen Berlins bekanntgeworden, eine Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden einzuführen. Im Saarland setzte die Regierung zunächst auf Appelle. Das geänderte Infektionsschutzgesetz ermöglicht den Ländern seit 1. Oktober außer im Nahverkehr auch Maskenpflichten in Geschäften und Restaurants. In Schulen und Kitas können Tests angeordnet werden. Bundesweit gilt eine FFP2-Maskenpflicht in Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und Fernzügen. In Flugzeugen fiel sie weg.

Die Herbst-Strategie: Deutschland sei insgesamt „eigentlich sehr gut vorbereitet“, sagte Lauterbach. Es gebe fortentwickelte Impfstoffe, die genau auf die derzeitige Omikron-Variante passten. Am Freitag wolle er „eine Impf- und Corona-Kampagne vorstellen, so dass wir mehr für das Impfen werben werden, was jetzt auch notwendig ist.“ Die Impfungen dümpeln seit Monaten vor sich hin, am Mittwoch wurden laut RKI bundesweit 97 000 Dosen gespritzt. Im Blick stehen besonders zweite Impf-Auffrischungen. In der Risikogruppe der Über-60-Jährigen haben laut RKI bisher gut 28 Prozent eine vierte Spritze bekommen.

Insgesamt sind nach amtlichen Daten nun mindestens 63,5 Millionen Menschen oder 76,3 Prozent der Bevölkerung mit in der Regel zwei Spritzen grundimmunisiert. Mindestens 51,8 Millionen Geimpfte oder 62,2 Prozent der Bevölkerung haben eine oder zwei „Booster“ bekommen. Zur Strategie für Herbst und Winter gehört auch ein beschleunigter Einsatz von Medikamenten bei Infizierten, wie Lauterbach bekräftigte.

(dpa)