US-Wahl 2016 Wahlleute sollen Trump stoppen - Verweigerung statt Vollzug?
Was in anderen Jahren nur langweiliges Vollzugsverfahren war, ist 2016 aufgeladen wie vielleicht noch nie: Die Stimmabgabe der Wahlleute in den USA. Für viele die letzte Hoffnung, Trump zu verhindern. Aber kann das funktionieren?
Washington. Auf 538 Menschen ruht die letzte Hoffnung von Millionen. Wenn an diesem Montag das Gremium der Wahlleute in den USA seine Stimmen abgibt, sollen sie als eine Art letzte Verteidigungslinie einen Präsidenten Donald Trump verhindern - so die Hoffnung seiner vielen Gegner nicht nur in den USA. Aber daraus wird wohl nichts. In der Geschichte der USA haben die Wahlleute zu 99 Prozent so gewählt, wie sie bei der Wahl bestimmt wurden.
Warum gibt es Druck auf die Wahlleute?
Viele verweisen neben ihrem nackten Unbehagen über Trump auf das Wahlergebnis selbst: Zwar hat der Republikaner 306 Wahlleute gewonnen und Clinton 232, das ist deutlich. Aber Clinton führt in der Gesamtzahl der Stimmen mit stolzen 2,8 Millionen oder gut zwei Prozent. Die Kritiker argumentieren, die Wahlleute repräsentierten nicht das wahre Verhältnis der Mehrheiten im Land. Sie fordern, die Abstimmung am Montag müsse verschoben werden: Erst müsse der künftige Präsident sich zur Zukunft seiner Geschäfte äußern, außerdem müsse erst eine Beeinflussung der Wahl durch Russland geklärt werden.
Was tut sich in der Gruppe der 538?
Elektoren berichten von Hunderten, sogar Tausenden Zuschriften mit der Forderung, Trump zu verhindern. Fast fünf Millionen Menschen haben eine Online-Petition unterzeichnet. Im Gremium - das aber nie als Gruppe auftritt - brodelte es. Ein Republikaner trat wegen Trump zurück, ein anderer drückte öffentlich seinen Widerwillen aus. Demokraten versuchten, neue Mehrheiten zu organisieren.
Was geschieht am kommenden Montag?
Die Wahlleute aller 50 Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington schicken ihr Votum für den US-Präsidenten und den Vize in sechs Umschlägen an vier Adressaten, unter anderem an den Präsidenten des US-Senats.
Wann wird das Ergebnis bekannt werden?
Spätestens neun Tage nach dem Votum müssen die Umschläge eingegangen sein. Zwischen diesem Zeitpunkt und dem 6. Januar kann das Ergebnis an die Öffentlichkeit dringen - am 6. wird es im Kongress verkündet.
Was müsste passieren, um Trump zu verhindern?
38 oder ein Achtel der Trump-Wahlleute müssten gegen ihn stimmen. Sie könnten für einen anderen Republikaner votieren, häufig genannt wird Ohios Gouverneur John Kasich. Wenn Demokraten sich ihnen anschließen, könnte der neue Kandidat über die Mehrheit von 270 kommen. Schließen sich die Demokraten dem nicht an, hat keiner eine Mehrheit. Dann entscheidet das Repräsentantenhaus, das wiederum deutlich in der Hand der Republikaner ist. Der Ausgang wäre wohl klar.
Sind die Wahlleute an den Wählerwillen gebunden?
Ja und Nein. Ein Bundesgesetz gibt es dazu nicht, aber 29 Staaten und die Hauptstadt verpflichten die Elektoren zur Wahl desjenigen, den ihre Partei nominiert hat. Andernfalls werden sie bestraft. Es gibt aus beiden politischen Lagern ernste Mahnungen: Man könne das ganze Verfahren ja veraltet finden, aber es sei nun mal von der Verfassung vorgesehen. Es sei undemokratisch, sich nun nicht daran halten zu wollen, weil einem der Wahlausgang des 8. Novembers nicht passe.
Warum gibt es dieses ganze Verfahren überhaupt?
Die US-Bürger wählen den Präsidenten nur indirekt. Am Wahltag wird je nach Größe des Bundesstaates eine bestimmte Zahl an Wahlleuten bestimmt. Wer in einem Staat die Mehrheit erhält, bekommt mit ganz wenigen Ausnahmen alle Wahlleute - „the winner takes all“.
Was war der ursprüngliche Sinn des Gremiums?
Mit seiner Einrichtung verbanden die Gründungsväter der USA eines: Sie wollten Demagogen verhindern. Sie misstrauten dem Volkswillen, deswegen sollte er sozusagen gefiltert werden. Die Verfassung wurde so angelegt, dass spontane und kurzfristige Politik zurückstehen würde hinter einer Politik zum Wohl langfristiger Interessen des Landes. Trump, der Politik in affektgetriebene Spontanaktionen ummünzt, könnten dabei die Ohren klingeln. Theoretisch.
Wird sich an diesem alten System jemals etwas ändern?
Auf kurze Sicht sicher nicht, aber die Diskussion ist da. „Es würde mich wundern, wenn wir nicht in zehn Jahren nach einer Mehrheit der Stimmen entscheiden würden“ - das sagte kürzlich einer, der mit dem Missverhältnis von Stimmen und Wahlleuten eigene Erfahrungen gemacht hat: Al Gore, im Jahr 2000 Wahlverlierer gegen George W. Bush.