Köln Was versprach die Politik nach der Silvesternacht? Und was hielt sie ein?
Polizei raus aus den Amtsstuben auf die Straße, Opfern der Kölner Silvesternacht beistehen, die Täter zur Rechenschaft ziehen. Dafür hatte die Regierung von Hannelore Kraft einen Plan entworfen. Ist er aufgegangen?
Düsseldorf/Köln. Mehr Innere Sicherheit, Opferschutz, Integration - das hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am 14. Januar in einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags versprochen. Der Anlass: Konsequenzen ziehen aus den massenhaften Übergriffen überwiegend algerischer und marokkanischer Tatverdächtiger auf Frauen in der Silvesternacht in Köln. Fast 47 Millionen Euro lässt sich die rot-grüne Regierung ihr damals vorgestelltes 15-Punkte-Programm kosten. Aber wie steht es mit der Umsetzung? Eine Zwischenbilanz.
Geschulte Opferschützer der Polizei haben laut Staatskanzlei versucht, allen Opfern, die nach der Silvesternacht Übergriffe angezeigt hatten, Hilfe anzubieten. Bei Bedarf wurde ein Kontakt zum Weissen Ring oder einer Trauma-Ambulanz geschlagen. Allerdings haben laut Auskunft des Weissen Rings nicht viele von dem Angebot Gebrauch gemacht. Nach Angaben des Landesverbands Rheinland meldeten sich dort maximal zwölf Geschädigte, beim Landesverband Westfalen niemand. Das sei nicht untypisch, berichtet eine Mitarbeiterin. „Viele denken anfangs: Hilfe brauche ich nicht.“ Oft breche die Schutzfassade erst später ein. 109 Opfer haben laut Staatskanzlei nicht erreicht werden können oder auf schriftliche Hilfsangebote nicht reagiert. Allein in Köln liegen rund 1200 Anzeigen vor.
Die Aufklärung der schwersten Sexualstraftaten gestaltet sich schwierig. Ein Großteil dieser Verfahren läuft gegen unbekannt. Mit einer Belohnung in Höhe von 10 000 Euro hatte die Staatsanwaltschaft Köln versucht, Anreize zur Aufklärung zu setzen. Sieben Hinweisgeber hätten sich deswegen bei der Polizei gemeldet und drei von ihnen ausdrücklich Anspruch auf das Geld erhoben, berichtete Staatsanwalt Benedikt Kortz. Bislang seien aber keine Belohnungen ausgezahlt worden. Darüber werde erst nach Abschluss der Ermittlungen entschieden.
Die Landesregierung hat versprochen, 500 Polizisten mehr auf die Straße zu bringen. Dafür sollen 350 Tarifbeschäftigte eingestellt werden, die die Polizei von einfachen Aufgaben entlasten - etwa Strafanzeigen bearbeiten oder Geschwindigkeit überwachen. Die Ersten nehmen laut Staatskanzlei in den nächsten Monaten die Arbeit aufnehmen. Außerdem sollen 150 Polizeibeamte mit finanziellen Anreizen gewonnen werden, ihre Lebensarbeitszeit über die Pension hinaus zu verlängern. Dafür hatte der Landtag kürzlich das Landesbeamtenversorgungsgesetz geändert. Bis Mitte Juni hatten nach Angaben des NRW-Innenministeriums 52 Beamte ihre Arbeitszeit verlängert, 91 weitere haben Anträge für 2017 gestellt. 341 Interessensbekundungen liegen vor. Aus Sicht der CDU-Opposition kommt die Umsetzung aber nur „im Schneckentempo“ voran. Ab 2017 sollen zudem jährlich 2000 Kommissaranwärter eingestellt werden - aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine angemessene Planung.
Bislang gab es das in NRW nur in der Altstadt von Düsseldorf und Mönchengladbach. Künftig soll die Technik auch in Köln, Duisburg, Dortmund, Aachen und Essen eingesetzt werden. In diesem Jahr stehen dafür drei Millionen Euro zur Verfügung. Auch das geht dem Vizechef der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, viel zu langsam. Das NRW-Innenministerium habe zahlreiche konkrete Standortvorschläge abgelehnt, kritisierte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Silvesternacht. Die rechtlichen Hürden zur Video-Beobachtung seien in NRW zu hoch. Die GdP will an den neuen Standorten darauf achten, dass genügend Personal da ist, das die Bilder ständig beobachten und sofort reagieren kann.
Nach Angaben der Landesregierung mit dem größten Einstellungsprogramm in der Justizgeschichte des Landes. 300 zusätzliche Stellen sollen noch im Verlauf dieses Jahres Richter, Staatsanwälte, Wachtmeister und Rechtspfleger verstärken.