Bei Gehaltsverhandlungen ruhig frech sein

Jork/Hamburg (dpa/tmn) - Über Geld spricht man nicht, heißt es oft. Daher fällt es vielen schwer, über ihr Gehalt zu verhandeln. Um in der Gehaltsverhandlung punkten zu können, sollten Arbeitnehmer ihre Leistungen dokumentieren können.

Wissen Sie eigentlich, was Ihre Eltern verdienen? Nein? Dann sind Sie dem Gehaltscoach Martin Wehrle aus Jork zufolge keine Ausnahme. Wehrle gibt regelmäßig Seminare zum Thema Gehaltsverhandlung. Am Anfang seiner Workshops fragt er in die Runde, ob die Teilnehmer wissen, was ihre Eltern verdienen. „Von 100 Leuten im Saal melden sich dann vielleicht zehn Menschen“, sagt Wehrle. Und wenn er die Leute, die sich gemeldet haben, fragt, ob sie als Kind mit den Nachbarskindern über das Gehalt der Eltern sprechen durften, meldet sich meistens keiner mehr.

Über Geld zu sprechen ist in Deutschland immer noch tabu. Heike Friedrichsen, Ratgeberautorin zum Thema Gehaltsverhandlung, schreibt, dass laut Umfragen 40 Prozent aller Berufstätigen mit ihren Kollegen niemals über Geld sprechen würden. Alles, was die Deutschen kennen, sind die Zahlen des Bundesamts für Statistik. Dadurch wissen Arbeitnehmer, dass im Jahr 2010 der Durchschnitts-Deutsche mit Vollzeitstelle rund 3200 Euro brutto verdient. Und sie wissen, dass Frauen immer noch deutlich weniger als Männer bekommen. Im Durchschnitt sind es 23 Prozent weniger Gehalt. Was aber der eigene Vater verdient, ist schon ein Geheimnis.

Die Folge ist, dass Arbeitnehmer sich schwer mit Gehaltsverhandlungen tun. „Viele gehen da viel zu blauäugig ran“, hat Wehrle beobachtet. „Besonders Frauen stellen ihr Licht immer unter den Scheffel und fordern zu wenig“, bestätigt Friedrichsen. Dabei ist auch die erfolgreiche Gehaltsverhandlung kein Buch mit sieben Siegeln. Anstatt Schweißausbrüche beim Gedanken an ein Gespräch mit dem Chef über Geld zu bekommen, sollte Arbeitnehmer lieber der sportliche Ehrgeiz packen. „Gehälter sind nach oben immer offen“, ermuntert Friedrichsen.

Das Wichtigste ist, dass Angestellte sich auf die Gehaltsverhandlung intensiv vorbereiten und nichts dem Zufall überlassen. Denn der Chef ist in diesen Gesprächen viel geübter als der Arbeitnehmer.

„Zunächst einmal sollte man den eigenen Marktwert genau kennen“, sagt Wehrle. Den kann der Arbeitnehmer auf verschiedenen Wegen in Erfahrung bringen: Er kann beim Bundesamt für Statistik anfragen. Dort lassen sich Gehälter nach Branchen ermitteln. „Er kann persönliche Kontakte nutzen“, sagt Wehrle. Auch im Internet finden sich kostenlose und kostenpflichtige Gehaltsvergleiche. Letztere können häufig auf größere Datenbanken zurückgreifen.

In einem zweiten Schritt sollten sich Arbeitgeber dann aufschreiben, was sie genau verdienen - inklusive Weihnachtsgeld, Prämien, Jobtickets und Essensgutscheinen. Und dann müssen sie sich überlegen, wie viel sie netto mehr haben wollen. „Arbeitnehmer sollten ruhig frech sein“, rät Friedrichsen. Mehr als 10 Prozent des bisherigen Gehalts können sie jedoch nur in Ausnahmefällen verlangen.

In dem Gespräch mit dem Chef selbst ist dagegen diplomatisches Geschick gefragt. Tabu sollten Wörter wie Gehaltsverbesserung, Gehaltserhöhung oder Gehaltsforderung sein. „Das wirkt auf den Chef wie ein rotes Tuch“, so Wehrle. Besser ist es mit dem Vorgesetzten über die eigene Leistung zu sprechen.

Arbeitnehmer sollten etwa genau dokumentieren, welche Kunden sie herangezogen oder welche neuen Aufgaben sie übernommen haben. Gut sei es dazuzuschreiben, was das Unternehmen dadurch gespart hat, rät Wehrle. Wird über die Leistung ein grundsätzlicher Konsens erzielt, kann über Geld gesprochen werden. Eine gute Phrase, das einzuleiten, sei etwa „Ich finde, dass mein Gehalt dieser Leistung nicht angemessen ist und um 10 Prozent erhöht werden sollte“, sagt Wehrle.

Lässt der Vorgesetzte sich während der Verhandlung partout nicht auf eine Gehaltserhöhung ein, sollte der Angestellte nicht die Fassung verlieren. Besser sei es zu fragen: „Was muss passieren, damit ich in einem Jahr die Gehaltserhöhung bekomme?“ Lässt der Chef sich auf diese Frage nicht ein, sei man in einer Sackgasse und müsse überlegen, ob man den Job wechseln sollte, sagt Wehrle. Lässt er sich darauf ein, kann sich der Arbeitgeber bald über mehr Geld auf dem Konto freuen.